Am Anfang ist das A

Bei 2000 Facebook-Likes habe ich versprochen, die ersten beiden Kapitel von The words unwritten zu posten. Aber es fehlen noch 50. Und trotzdem poste ich jetzt schon mal den ersten Abschnitt, weil ich nett bin. Und überhaupt nicht mit dem Hintergedanken, dass ihr mehr wollt, und die 2000 voll macht. In keinster Weise. 😉

Annie Stone – The words unwritten

Ich bin Josie. Josephine Hart. Ich bin dreißig Jahre alt. Liam sagt, meine Haare sind tizianfarben, was einfach nur eine nettere Beschreibung für rot ist. Auf meinem Gesicht befinden sich so viele Sommersprossen, dass man sie nicht alle zählen kann. Liam hat es mal versucht und kam bei 256 durcheinander und war sich nicht sicher, welche er schon hatte und welche noch nicht. Meine Augen sind braun, einfach nur braun, auch wenn Liam gerne sagt, dass sie die Farbe von gutem Brandy hätten. Ich bin nicht zu groß, nicht zu klein, nicht zu dünn, nicht zu dick. Ganz normal eben, auch wenn Liam meint, meine Größe hieße perfekt.
Ich liebe Eis essen bei Gewitter, den Geruch von neuen Büchern, den Klang von Regentropfen auf der Fensterbank, Liams Finger auf meiner Haut. Ich mag es, als erstes ein neues Glas Nutella zu beginnen, das Messer durch die goldene Folie zu stechen und die cremige Oberfläche zu durchstoßen. Ich mag es, in alten Hosentaschen lang verloren geglaubte Schätze wieder zu finden, auch wenn es nur eine Haarspange ist. Ich mag es, sanft gegen Liams Haut zu pusten und zu sehen, wie sich alle Haare aufstellen. Ich mag es, Worte zu schreiben, die keiner je geschrieben hat.
Und ich mag Liam. Seit der ersten Klasse. Seit ich aus Versehen den Klassengoldfisch ermordet habe und er behauptet hat, dass er es war. Alle haben es geglaubt, so was passte zu Liam. Er ertrug seine Strafe mit stoischer Fassung, drehte sich zu mir um und zwinkerte mir zu. In der Pause schenkte ich ihm mein Butterbrot. Da war es entschieden. Liebe geht eben doch durch den Magen.
Bis zu diesem Zeitpunkt, dem 23. September 1987, war mein Leben grau und eintönig. Ich war zwar erst sechs Jahre alt, aber ich wusste, dass mein Leben genau so weitergehen würde. Wahrscheinlich würde ich mal in einer Bank arbeiten, montags bis freitags von neun bis fünf. Ich würde drei Katzen haben, Molly, Jack und Peter. Ich würde nachmittags nach Hause kommen, meinen Katzen Futter geben, mir ein Fertiggericht in die Mikrowelle stellen und mich dann vor den Fernseher setzen, um meine Lieblingsserie zu sehen, die mit ziemlich großer Sicherheit von einem Arzt handelte, der Antonio hieß, dunkle Locken und feurige Augen besaß, ganz zu schweigen von einem sinnlichen Mund, der dazu einlud, ihn zu küssen, der nicht wusste, was Liebe war, und daher jede Nacht eine andere hatte, bis er die zarte, überirdisch schöne Julia kennenlernte, die ihn die Liebe lehrte. Dann würde ich ins Bett gehen und davon träumen, dass mein Ritter in strahlender Rüstung mich aus meinem Turmzimmer (auch 30m²-Appartment genannt) errettete und mit mir in den Sonnenuntergang ritt, raus aus meinem eintönigen Leben.
Das ich diesem Leben entkommen bin, habe ich Liam zu verdanken. Liam Hart. Er ist dreißig Jahre alt. Seine Haare sind blond, immer ein kleines bisschen zu lang, immer verwuschelt. Ich glaube, dass seine Haare das weichste sind, was ich je angefasst habe. Er hat eine kleine Narbe am rechten Mundwinkel in der Form eines Halbmonds. Ich küsse diese Stelle ganz besonders gerne. Er hat blaue Augen, die ich gerne als Kornblumenblau beschreibe, allerdings sind sie eigentlich blasser. Er ist groß, hat breite Schultern, Bauchmuskeln und einen knackigen Hintern. Ich liebe es, ihm beim Schlafen zuzusehen und mir jedes Detail einzuprägen.
Liam liebt das Gefühl von Salz und Wind auf seiner Haut, den Moment der Stille bevor das Chaos ausbricht, meine Lippen auf seinen. Er mag es, im Auto zur Musik laut – und falsch – mitzusingen. Er mag es, sich vorzustellen, wie es in Büchern nach dem Ende weitergeht, seine liebsten Vorstellungen handeln von Zombieinvasionen, die alles Leben zerstören und nur noch unfruchtbare Erde zurücklassen. Er mag es, wenn ich auf der Fensterbank sitze und auf ihn warte, wenn er von der Arbeit kommt.
Und er mag mich. Seit der ersten Klasse. Seit mir Sophie Beauford am ersten Tag gesagt hat, dass ich aussehe wie ein Frosch, und ich mit zitternder Unterlippe und großen, traurigen Augen da stand und es nicht fassen konnte, dass jemand so gemein sein konnte. In dem Moment wusste er, dass er alles tun musste, um mich vor weiterer Trauer zu beschützen.
Bis zu diesem Zeitpunkt, dem 14. September 1987, hatte sein Leben keinen Sinn. Er war zwar erst sechs Jahre, aber er wusste, dass sein Leben genauso nutzlos weiter gehen würde. Wahrscheinlich würde er als Drogendealer arbeiten, ständig auf Achse sein, jede Menge Kohle scheffeln, von einer Party zur nächsten streifen, sich die Nase wund koksen, schnelle Autos zu Schrott fahren, mit den schönsten Frauen genau eine Nacht verbringen, sie dann ablegen wie einen alten Hut. So würde er zwanzig Jahre leben, sich fragen, was der Sinn des Lebens ist, sich mit 40 eine Pistole in den Mund stecken und seinem überflüssigen Leben ein Ende bereiten.
Dass er diesem Schicksal entkommen ist, hat er mir zu verdanken.
Seit dem 24. September 1987 waren wir kaum einen Tag getrennt. Er hatte auf dem Schulhof nach meiner Hand gefasst, mich angeschaut und das war’s. Besiegelt. Für immer und ewig. Josie und Liam. Liam und Josie.

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