Die Sache mit dem E

Ich weiß, dass in der Schriftsprache in der ersten Person Indikativ Singular ein „e“ ans Ende gehört. Ich lächele. Ich kuschele. Ich murmele. Ich laufe. Ich sage.

Aber ich lass es weg.

Ich weiß, dass man das in der geschriebenen Sprache eigentlich nicht macht. Aber ich tue es trotzdem. Da ich immer wieder darauf hingewiesen werde, hier meine Begründung:

  • Wenn ich lese, dann lese ich jedes Wort und jeden Buchstaben. In meinem Kopf sage ich also lächelE. Und das hört sich für mich furchtbar gestelzt an. Gerade, wenn es aus der Ich-Perspektive erzählt wird, stolpere ich immer wieder darüber. Die Ich-Perspektive wird meist gewählt, um die Gedanken der Protagonistin oder des Protagonisten wiederzugeben. Es fällt mir unglaublich schwer, mir vorzustellen, dass jemand denkt „Ich lächelE“. Gedanken sind wie Sprache, nur im Kopf. Daher macht es für mich mehr Sinn, dass man da auch gesprochene Sprache verwendet.
  • Ich stolpere über jedes „e“ am Ende, wenn ich selber lese, dadurch wird der Text langsamer. Ich will aber, dass meine Texte schnell sind, sie ein schnelles Erzähltempo haben, sodass man keine Chance hat, als atemlos mitzufiebern (keine Ahnung, ob das gelingt, aber das ist mein Wunsch). Wenn ich aber über Worte stolpere, dann werde ich rausgezogen aus der Geschichte, bin nicht vollkommen drin. Ich persönlich finde, dass dies Lesespaß nimmt. Ich will aber vor allem, dass meine Bücher Spaß machen, auch wenn man weinen muss.
  • Meine Intention ist es, dass sich meine Geschichten anhören, als würde eine Freundin einer andere etwas erzählen. Sie sitzen im Café und die eine sagt der anderen, weißt du was mir passiert ist? Und dann geht es los. In diesen Erzählungen kommt kein „e“ am Ende vor. Darauf würde ich wetten. „Er sagt mir, dass er mich mag und dann lächel ich. Ich sag, ich mag dich auch. Und dann lächelt er ebenso.“ So redet man mit seinen Freundinnen. (Man kann argumentieren, dass man das Ganze im Präteritum erzählen würde, aber wenn man im Präsens reden würde, bliebe das „e“ weg.)
  • Literatur darf, was Literatur will. Buchsnobs mögen hinterfragen, ob es sich bei meinen Romanen wirklich um Literatur handelt, aber das kann ja jeder sehen wie er oder sie will. Als Kunstform darf Literatur aber Dinge, die in einer wissenschaftlichen Arbeit oder in Sachtexten nicht möglich ist. Es ist ja nicht nur das „e“, auch das Spielen mit anderen Elementen, wie Halbsätzen oder Kunstworten oder das ständige verwenden von „irgendwie“, dass dann die Sprecherin aufgreift und sich fragt, warum sie immer „irgendwie“ denkt. Das alles darf Literatur!

Es ist also keine Unwissenheit, die mich dazu bringt, das „e“ wegzulassen, sondern Kalkül. Ich gebe gerne zu, dass das nicht jedermanns Sache ist, aber solange ich beim Großteil meiner Leser*innen erreiche, was ich erreichen möchte, ist das für mich okay.

Ich danke auch jedem, der mich darauf hingewiesen hat, dass ich es falsch mache. Ich finde es gut, auf Fehler hingewiesen zu werden, auch wenn ich sie selbst nicht als Fehler erachte.

P.S.: Es gibt aber auch Worte, an die gehört das „e“ auf jeden Fall! Ich küsse dich. Ich liebe dich. Ich umarme dich. Wie schlimm würden sich diese Worte ohne „e“ anhören?

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6 Kommentare

  1. Guten Morgen,
    ich habe noch nie einen Kommentar oder dergleichen geschrieben, aber hier habe ich gerade gedacht, dass kann ja wohl bei diesen Büchern nicht wahr sein….es gibt Leser, die fehlende „e“ bemängeln? In manch anderen Büchern wäre ich froh, es gäbe nur ein „e“ Problem. Ich habe bei Deinen Büchern (ich sage jetzt „Du“, obwohl das eigentlich nicht meine Art ist und hoffe, es ist in Ordnung, aber „Sie“ gefällt mir gerade auch nicht und die Bücher tragen ja auch den Grundgedanken von Freundin zu Freundin) noch nie gedacht, upps, da fehlt ein „e“. Die Geschichten sind jedes mal so mitreißend,temporeich, emotional tiefgängig, zum Lachen, zum Weinen, zum Mitfiebern, da ist für so oberflächige Gedanken bei mir überhaupt keine Zeit. Ich finde, Deine Bücher sind mit das beste, was es im Moment auf dem Markt gibt und das zu einem anständigen, fairen Preis. Es sind jedesmal Romane und keine Kurzgeschichten und trotzdem bin ich bei jeder Geschichte enttäuscht, wenn sie zu Ende ist. Ich könnte ohne Probleme zu jeder noch einen Fortsetzungsband lesen. Ich kann Deine Begründung zum fehlenden „e“ nur voll uns ganz unterschreiben. Dein Schreibstil ist für Deine Intuitionen 100 % perfekt. Bloß nichts ändern. Deine Bücher sind toll, auch ohne das ein oder andere „e“.

    Liebe Grüße
    Claudia

  2. Gott, da gibt es Menschen, die sich darüber einen Kopf machen? Ich hatte bisher noch nie ein Problem beim lesen damit, also mich hat das nicht gestört. Im Gegenteil, ich fand das eigentlich eher belebend, viel aktiver. Da ich aber meist in der Geschichte voll drin bin, habe ich auch gar keine Zeit darüber nachzudenken. 🙂
    Liebe Annie, behalt das bitte so bei und lass dir da nichts reinreden. Gerade weil deine Bücher anders sind lese ich sie so unglaublich gerne.
    Viele liebe Grüße
    Diana

  3. Liebe Annie,
    ich kann Dir nur voll und ganz beipflichten, Deine Bücher lesen sich flüssig und rasant. Ich gehöre zur Generation 50+ und bin meist etwas pingelig, wenn mir Ausdrucks-, Rechtschreib- oder Grammatikfehler [manchmal selbst Zeichensetzungsfehler] das Lesevergnügen durchkreuzen. „Irgendwie“ habe ich dabei das Gefühl, dass meine Augen sich an Fehlern festhaken (obwohl ich weder Lehrerin noch Sprachwissenschaftlerin bin). Normalerweise lese ich sehr schnell und muss bei Fehlern immer wieder zurückspringen, ob in meinem Kopf sich das nur falsch zusammengesetzt hat oder etwas wirklich falsch geschrieben wurde. Ich habe alles von Dir gelesen (manches auch schon mehrmals) und bei keinem Deiner Bücher ist meiner Meinung nach der Schreibstil oder die Sprache zu kritisieren, ich hatte nie das Gefühl (wie bei anderen Veröffentlichungen schon häufiger), mich hinsetzen zu wollen, um Fehler aufzuzeigen. Deine Art zu schreiben macht die Authentizität Deiner Geschichten aus.
    Liebe Grüße und immer weiter so.
    Vroni

    1. P.S.: Ach ja, und alles ist gut, solange das Wort „angelegentlich“ nicht benutzt wird. Das scheint bei manchen Autorinnen äußerst beliebt zu sein und inflationär benutzt zu werden – und ich könnte beim Lesen glatt das Buch in die Ecke werfen.

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