Bonusszene Brady
Brady
Ein paar Jahre später
Ich starre auf das Stäbchen, das Mallory mir hinhält. Positiv. Ungläubig blinzele ich. Sie sieht zu mir auf, was ich aus den Augenwinkeln sehe, aber ich kann keinen klaren Gedanken fassen.
Schwanger.
Mallory ist schwanger. Wir sind schwanger.
»Brady«, haucht sie, unsicher.
Und das ist der Moment, in dem ich aus meiner Starre aufwache, die Hände vors Gesicht schlage und in die Knie gehe. Noch ein Kind. Ein Baby.
Ich liebe Kira über alles. Sie ist der Sonnenschein meines Lebens, aber ich bereue, dass ich nicht von Anfang an dabei war. Dass Mindy mir die Chance genommen hat.
Jetzt die Möglichkeit zu haben, alles mitzuerleben. Das ist wie ein Traum, der wahr wird. Und gleichzeitig ist da auch so eine mahnende Stimme: Wie wird es Kira aufnehmen? Ist es für sie okay? Wird sie sich zurückgesetzt fühlen? Es ist nicht so leicht für sie, Menschen zu teilen. Als Mallory zu uns gezogen ist, gab es eine Phase der Unsicherheit. Obwohl sie Mallory liebt.
O Gott.
Ein Baby.
»Brady?«
»Ich bin so verdammt glücklich«, stoße ich aus.
Ich höre ihr Lachen, bevor sie sich neben mich kniet, ihre Arme um mich schlingt. »Ja?«
»Fuck ja.«
»Vielleicht musst du jetzt aufhören zu fluchen.«
Ich hebe den Kopf, sehe in die wunderschönen Augen meiner großen Liebe. »Hat bei Kira auch schon nicht geklappt. Und immerhin konnte sie mich schon verstehen, als sie zu mir kam.«
»Ich seh schon … Wir werden eine Dreijährige haben, die wie ein Seemann flucht.«
»Ein Mädchen?«
Sei zuckt mit den Schultern. »Das kann man jetzt wahrscheinlich noch gar nicht wissen. Also, ich weiß, dass man es nicht wissen kann.« Sie zuckt mit den Schultern. »Aber irgendwas sträubt sich in mir, das Kind als es zu bezeichnen.«
»Ein Baby.« Ich schüttele den Kopf. »Ich kann es gar nicht fassen.«
»Du bist doch wirklich glücklich?«
»Unfassbar.« Ich ziehe sie an mich, halte sie fest. »Das ist eine der besten Nachrichten, die ich je bekommen hab.«
»Für mich auch.«
Ich drücke meine Lippen auf ihren Kopf, als es plötzlich klopft.
»Brady! Wir wollen los«, höre ich Finns Stimme.
Als ich nicht reagiere, reißt er die Tür auf. »Was ist los?«, fragt er besorgt, als er uns so auf dem Boden sitzen sieht. »Alles okay mit Mallory?«
»Kannst du uns vielleicht einen Moment lassen?«, knurre ich, während Mallory kichert.
»Erst, wenn ich weiß, dass es euch gutgeht.« Und dann kniet er sich zu uns. »Mallory?«
»Du bist echt nervig, Kleiner.«
Mallory lächelt ihn an. »Alles in Ordnung.«
»Aber wieso sitzt …«, und ich weiß, dass sein Blick auf den Test am Boden fällt, weil er plötzlich stutzt.
Und dann schlingt er seine Arme um uns beide, lacht. »Fuck ja.«
Das war ganz sicher nicht die Art, wie ich es meiner Familie erzählen wollte. Ganz bestimmt nicht, aber ich kann es auch nicht bereuen. Wenn es einer verdient hat, es zu erfahren, dann mein kleiner Bruder. Die Art und Weise, wie er mich unterstützt hat, als Kira zu mir gekommen ist … Dafür werde ich ihm niemals danken können. Ohne ihn – ohne meine Familie – hätte ich es niemals geschafft, dass Kira jetzt so ein glückliches Mädchen ist.
Und bald eine große Schwester …
Fuck, heule ich?
»Du darfst es niemandem sagen«, beschwört ihn Mallory.
»O Gott«, stöhnt er. »Wie soll ich das denn machen?«
Ich grinse, weil ich weiß, dass es für ihn extra schwer ist, etwas vor unserer Familie zu verheimlichen. Von uns beiden bin ich derjenige, der eher distanziert war. Finn hat schon viel früher verstanden, wie wichtig Familie ist.
Und ich kann einfach nur froh sein, dass sie alle für mich da waren, als ich sie brauchte. Dass sie nicht gedacht haben, dass ich sie ausnutze, sondern sie einfach froh waren, dass ich wieder ein Teil ihres Lebens bin.
Ich hätte es ihnen nicht einmal verübeln können, wenn sie es gedacht hätten … Es ist schon ein wenig arschig, sich jahrelang rauszuziehen und dann angekrochen zu kommen, wenn man Hilfe braucht.
Aber sie haben es mir nie vorgeworfen. Und mittlerweile ist mir auch klar, dass Familie einen nicht davon abhält, sein eigenes Leben zu haben, sondern sie beflügeln einen. Eine Lektion, die ich unbedingt lernen musste. Ganz offensichtlich.
»Du musst es versuchen«, meint Mallory, greift nach seiner Hand. »Es ist nicht gut, es zu früh zu verkünden.«
Er nickt. »Ja, ja, ich weiß. Aber solche Regeln gelten nicht für die O’Briens. In guten und in schlechten Zeiten … und so.«
Ich helfe Mallory vom Boden auf, bevor ich nach dem Test greife und ein Foto mache.
»Wir sollten ihn nicht in den Hausmüll werfen«, gibt Mallory zu bedenken.
Ich verdrehe grinsend die Augen. »Also so weit würden sie doch nicht gehen …«
»Nicht absichtlich«, erwidert sie, »aber ich seh genau vor mir, wie eines der Kinder mit Vollgas gegen die Tonne fährt, diese umkippt und alle den Müll einsammeln. Und dann wird deine Mutter selbstverständlich den Text finden …«
Finn grinst. »Du beweist, dass du selbst auch eine O’Brien bist, Mal.«
Sie zuckt mit den Schultern, streicht sich dann verlegen durch die Haare. »Ehrenhalber, vielleicht.«
»Familienzugehörigkeit hat nichts mit dem Blut zu tun«, meint er, und ich könnte meinen kleinen Bruder küssen. Er legt sich die Hand aufs Herz. »Nur hiermit.«
Mallory stopft den Test in ihre Handtasche, bevor wir Finn nach draußen folgen. Vor dem Haus am Lake Tahoe sind schon alle dabei, in die diversen Autos zu steigen. Wenn die O’Briens in voller Stärke einen Ausflug machen, könnte man einen Reisebus mieten.
Ich halte Mallory die Tür zu Taras Wagen auf. Kira sitzt schon mit Aoife und Róisín in Orlas Wagen. Mittlerweile hat sie sich auch mit der stilleren Róisín angefreundet, was mich sehr freut. Schließlich ist sie mein heimlicher Liebling – also nach Kira, meine ich. Und nach Mallory.
»Alles klar?«, fragt Tara.
Ich nicke. »Alles super. Wir können.«
In dem Moment wird die Tür aufgerisssen, und Cameron springt rein. »Sorry, ich wurde aus meinem eigenen Auto ausquartiert.«
Ich grinse, weil das nur bedeuten kann, dass Sam und Leah quatschen wollen. »Tja, so ist das, wenn die Frau die Hosen anhat …«
Er lacht auf. »Sam stehen sie aber auch so verdammt gut.«
»Das stimmt allerdings«, meint Tara. »Ich bin echt neidisch auf den Hintern.«
»Ich auch«, erklärt Mallory im Brustton der Überzeugung, und ich weiß gar nicht wieso. Schließlich liebe ich ihren Hintern. Nein, ich liebe alles an ihr. Jedes kleine Bisschen.
Tara fährt als letztes vom Hof, und wir folgen Finns Auto.
»Was macht die Arbeit?«, fragt Tara Mallory.
Sie ist seit ein paar Jahren Pressesprecherin bei JRD, einer Computerchipfirma in Palo Alto. Es ist ihr Traumjob, was ich sofort in ihrer Stimme hören kann.
»Oh, es ist fabelhaft …«
Cameron beugt sich zu mir. »Was macht dein Job?«
Ich zucke mit den Schultern. »Ist okay.«
»Hörst dich definitiv weniger enthusiastisch an, als deine Herzdame.«
Ich grinse. »Niemand liebt seinen Job so sehr wie Mallory. Wirklich niemand.«
»Das würde ich so unterschreiben.«
»Bei dir alles okay?«
»Ja, sicher. Alles okay.«
Cameron ist Anwalt bei Fitzgerald, Martin und Hobbs, einer der besten Kanzleien der Stadt. Er kümmert sich um Firmenfusionen, was ich jetzt nicht besonders spannend finde, aber er hat auch kein Interesse an dem, was schnelle Autos unter Motorhaube haben. Solange jeder glücklich ist, ist das doch auch in Ordnung.
»Und sonst auch alles gut? Mit Kira und Mallory?«
»Mehr als gut, hoffe ich.«
»Hoffst du?«, fragt er misstrauisch. Mist, zu viel gesagt.
»Ähm, ja, weißt du … ich mein, das hofft man doch immer. Das alles gut ist und so.«
»Ominös.«
Ich seufze. »Ich wollte nur sagen, dass immer Veränderungen ins Haus stehen können.«
»Was für Veränderungen?«
»Na, alles mögliche.«
»Vage … Meinst du so was wie … eine Hochzeit?« Er sieht mich fragend an.
»Nein, nein, das nicht.« Ich merke, wie meine Stirn anfängt zu schwitzen. Ich rede mich hier um Kopf und Kragen.
»Schwangerschaft?«
Ich will es überspielen. Wirklich. Aber irgendwie … »Ach, Quatsch«, sage ich lahm.
Cameron sieht mich erst erstaunt an, bevor er grinst. »Aha.«
»Gar nichts aha.«
»Du protestierst zu viel.« Dann drückt er meine Schulter. »Herzlichen Glückwunsch, Mann.«
»Danke«, sage ich leise, bevor ich grinse. Wie könnte ich auch nicht? »Erzähl es den anderen nicht. Wir wollen es noch geheimhalten.«
»Klar, Mann. Ich schweige.«
Tara fährt auf den Parkplatz des Vergnügungsparks, stellt den Wagen ab. Als wir ausgestiegen sind, greife ich nach Mallorys Hand. Sie schaut lächelnd zu mir auf, und ich weiß, dass wir beide in diesem Moment an unser süßes Geheimnis denken. Ich beuge mich zu ihr, küsse sie auf den Mund.
»Bäh, Onkel Brady …«, kräht Aoife.
Grinsend schaue ich zu der kleinen Hexe, die die Hände in die Seiten gestemmt hat. »Wart mal ab. Irgendwann wirst du auch Jungen küssen.«
»Niemals! Da würde ich kotzen«, empört sie sich.
Orla verdreht die Augen. »Aoife, was hatten wir zur Art der Kommunikation gesagt?«
Ihre Tochter zuckt mit den Schultern. »Hatte nicht zugestimmt, mich dran zu halten.« Sie grinst dämonisch, bevor sie nach Kiras Hand greift, und die beiden kleinen Monster lachend losrennen.
»Ich frag mich immer, wer hier eigentlich wen erzieht«, murmelt meine Cousine.
Grinsend laufen wir zum Eingang, kaufen Tickets, bevor wir den Kindern hinterhergehen, die als Erstes an allen Attraktionen sein wollen. Sie haben Hummeln im Hintern. Selbst Róisín.
»Ich muss mal eben für kleine Mädchen«, meint Orla. »Geht schon vor. Ich hol euch ein.«
»Oh, da komm ich mit«, erklärt Mallory, drückt meine Hand, bevor sie mit meiner Cousine mitgeht.
Ich laufe ein paar Schritte, bleibe dann aber stehen, um auf die beiden zu warten. Es dauert nicht lange, bis sie zurückkommen und Orla ein fettes Grinsen auf dem Gesicht hat. Fragend blicke ich Mallory an.
Sie verdreht die Augen, als sie meine Hand nimmt und flüstert: »Sie weiß es.«
»Wieso?«
»Ich wollte diskret den Test wegwerfen …«
Ich lache auf. »Ah, du wolltest ihn nicht im Haus wegwerfen, um es geheim zu halten.«
»Ja, ja, spotte du nur.«
»Um ehrlich zu sein … Cam hat es auch herausgefunden.«
Sie kneift die Augen zusammen. »Sind wir die beiden am wenigsten geeigneten Personen, um ein Geheimnis zu bewahren?«
»Scheint so.«
»Was für ein Geheimnis?«, fragt Leah plötzlich.
»Ähm …«, mache ich, während Mallory mich panisch ansieht.
»In dieser Familie sind Geheimnisse doch verboten«, scherzt sie fröhlich.
»Oh, hm, ja …«
Sie runzelt die Stirn. »Also?«
»Es heißt Geheimnis, weil es geheim sein soll«, entgegne ich.
»Ja ja, also?«
Ich schaue zu Mallory, die den Kopf schüttelt. Aber ich freu mich so …
»Mallory ist schwanger«, platzt es aus mir heraus.
»Ganz toll«, kommentiert diese trocken.
Leah fällt erst ihr, dann mir um den Hals, macht so einen Wirbel, dass alle anderen sich genötigt sehen, ebenfalls zu uns zu kommen. Orla grinst. Finn grinst. Cameron grinst. Leah lacht …
Ich schaue zu Mallory, die mich schicksalsergeben ansieht und mit den Schultern zuckt.
Ich schlinge meinen Arm um sie. »Wir wollten es eigentlich noch geheimhalten …«
»O mein Gott«, ruft Mom aus. »Schwanger?«
Als könnten sie es riechen … Trüffelschweine …
Und dann werden wir von allen geherzt und umarmt und geküsst und sie alle haben Tränen in den Augen.
»Kira weiß es noch nicht«, sage ich dann. »Wir wollen es ihr sagen.« Wie gut, dass die Kids schon auf dem ersten Fahrgeschäft sind und nichts mitbekommen haben. Puh. Das wäre ein echter elterlicher Fauxpas gewesen.
Sie versprechen es alle …
Dann schaue ich betreten zu Mallory. »Tut mir leid«, sage ich zerknirscht.
Sie seufzt. »Damit muss man rechnen, wenn man in eine verrückte Familie kommt …«
»Das ist wohl wahr.«
Ich schlinge meinen Arm um sie. Ob ich jemals so glücklich war? Ich bezweifle es … Ich bezweifle es sehr …