Bonusszene Die Eine oder Keine

Emory

Ich schaue in den bodentiefen Spiegel. Ein Lächeln ziert meine Lippen, als ich mich betrachte. Der weiße Stoff schmiegt sich an meinen Körper, bevor er sich zu einem schmeichelnden Rock weitet, der meine Beine umspielt. Ich streiche über meinen Bauch, meine Hüften, aber alles sitzt wie angegossen.

Stella schlingt die Arme um mich, lehnt ihr Kinn an meine Schulter. »Du siehst atemberaubend aus.« Sie lächelt mich im Spiegel an.

»Ja, oder?«, frage ich.

»Wunderschön. Cole wird sich gar nicht sattsehen können.«

Cole.

Der Mann meiner Träume.

Heute ist es endlich so weit.

»Hast du alles?«, fragt Cami. »Was Blaues?«

»Die Veilchen in meinem Strauß und das Samtband, das alles zusammenhält.«

»Was Altes?«, fragt Loki.

Ich greife mir an den Hals, wo eine Perlenkette liegt, die mir Harvey geschenkt hat. Lächelnd denke ich an den Mann, der so viel mehr mein Vater ist als der Mann, der immer noch einen Kleinkrieg gegen das mittlerweile einzige Krankenhaus in Sweetwater führt. Ich seufze. Irgendwie hatte ich gehofft, dass wir im letzten Jahr wieder zueinander finden würden, aber Rusty Walker ist nichts, wenn nicht stur.

»Check«, sage ich und lasse die Fingerspitzen über die Perlen gleiten. Die Kette hat Harveys verstorbener Frau gehört. Sie wollte sie immer ihrer Tochter schenken, hat er mir erzählt, und da ich wie seine wäre, wäre es nur passend, dass ich sie bekomme.

»Was Geborgtes?«, fragt Frankie.

Ich deute auf das Armband, das an meinem Handgelenk baumelt, das mir Tante Sybille geliehen hat. Es ist ein Erbstück ihrer Mutter, meiner Großtante.

»Dann fehlt nur noch was Neues«, meint Callie.

»Ich würde sagen, alles andere gilt als neu«, gebe ich zu bedenken, streiche noch mal über mein wunderschönes Kleid. »Außerdem denke ich nicht, dass hier noch etwas hineinpasst.«

Stella öffnet eine flache Schatulle. »Wir wissen, dass du eigentlich den langen Schleier tragen wolltest, aber wir finden, der passt weder zur dir noch zu dem Kleid.«

Ich drehe mich um, starre in die Schachtel. In dieser liegt ein perlenverzierter Kamm mit einem Schleier, der nur das Gesicht bedeckt, wahrscheinlich nicht mal so viel.

»Oh, wow«, hauche ich. Das ist genau so einer, wie ich ihn mir heimlich gewünscht habe. Aber ich dachte, das wäre zu extravagant für mich.

Ich schaue meine Freundinnen an. Stella und Loki, Cami und Callie, Frankie. Was habe ich für ein verdammtes Glück, dass sie alle in meinem Leben sind. Ohne sie wüsste ich gar nicht, wie ich glücklich sein kann. »Danke«, sage ich leise, bemühe mich, nicht zu heulen, schließlich hat sich die Visagistin sehr viel Mühe mit meinem Make-up gegeben.

Und dann finde ich mich in einer Gruppenumarmung wieder, die mich zum Lachen bringt. Ich bin wirklich gesegnet mit den besten Menschen, die es gibt.

Stella schiebt mir den Kamm ins Haar, drapiert den Schleier über meinen Augen, und sie haben recht. Es ist perfekt für mich und dieses traumhafte Kleid.

»Es ist an der Zeit«, sagt Harvey von der Tür.

Ich drehe mich um, schaue meinen Ersatzvater an. »Schon?«

Er schluckt, sagt dann heiser: »Du siehst so wunderschön aus, meine Kleine.«

Und jetzt kommen mir wirklich die Tränen. Langsam trete ich auf ihn zu, umarme den Mann, der immer für mich da ist. »Danke.«

Er räuspert sich, zieht ein Taschentuch aus seiner Sakkotasche, tupft sich unter der Nase herum. »Es ist mir eine Ehre.«

Er hält mir seinen Arm hin, und wir verlassen den Raum. Ich atme tief durch, als ich meine Freundinnen passieren lasse. Stella drückt mir den Strauß in die Hand, den ich beinahe vergessen hätte, bevor sie meine Finger drückt. »Wir sehen uns am Altar.«

»Ich bin die in weiß«, scherze ich.

Grinsend läuft sie hinter den anderen vier her.

»Bereit?«, fragt Harvey.

Ich nicke. »Bereit.«

Als die Musik erklingt, treten wir in die kleine Kapelle ein wenig außerhalb von Sweetwater, die Cole und mir bei einem Spaziergang so gut gefallen hat, dass wir nicht anders konnten, als sie zur Location für unsere Hochzeit auszuwählen.

Als wir den Gang entlang schreiten, höre ich das Geraschel von Stoff und Gemurmel, als unsere Gäste aufstehen, aber ich … ich habe nur Augen für den gutaussehenden Mann, der dort vorne auf mich wartet.

Als Cole sich zu mir umdreht, sehe ich diesen Ausdruck von Erstaunen auf seinem Gesicht, der sich schnell in Zufriedenheit wandelt, bevor er sich die Hände vor den Mund schlägt. Theo, den er zu seinem Trauzeugen gemacht hat, klopft ihm leicht auf die Schulter.

Mit jedem Schritt fängt mein Herz lauter und lauter an zu jubilieren. Dieser Mann … er ist die andere Hälfte meines Herzens, meiner Seele. Wer hätte das je gedacht, nach unserem turbulenten Beginn? Aber wie sagt man? Was sich liebt, das neckt sich.

Ich sehe seine feuchten Augen, sehe, die Liebe in seinem Blick. Unbewusst beschleunige ich meine Schritte, weil ich einfach nur bei ihm sein will. Bei ihm, der mein Herz besitzt.

Harvey lässt mich amüsiert los, bleibt auf Dreiviertel des Weges stehen, lässt mich allein weitergehen. Cole grinst, als ich auf ihn zu eile, ihm dann um den Hals falle. Nun ja, so hoch reiche ich gar nicht, wenn er sich nicht zu mir runterbeugt. Was er jetzt tut.

Seine Arme schlingen sich um mich, und er hält mich fest. »Wow. Einfach nur wow.«

»Du aber auch«, murmele ich, drücke mein Ohr gegen seine Brust, höre, dass sein Herz auch zu schnell pocht.

»Du bist eine wahre Augenweide. Und ich ein Glückskind, weil du mich gewählt hast.«

Ich schaue zu ihm auf, grinse ihn an.

Und dann … dann sind seine Lippen auf meinen.

»Das kommt erst noch«, höre ich jemanden murmeln, aber das ist mir so was von egal.

»Ich liebe dich«, sage ich leise, drücke meinen Mund noch einmal auf seinen. »Für immer.«

»Ich liebe dich auch.« Er grinst mich an, streicht mir über die Wangen. »Kann es nicht erwarten, bis du meine Frau bist. Mrs. Cole Porter.« Er grinst mich provozierend an.

Ich kneife die Augen zusammen. »Ich dachte, du willst mich heiraten.«

»Will ich auch.«

»Dann versau es nicht mit deiner arroganten Art.«

Er lacht, bevor er nach meiner Hand greift und mich in Richtung Altar geleitet. »Ich wusste nicht, dass deine Liebe so wankelmütig ist.«

Bevor ich etwas erwidern kann, sagt der Priester: »Ich freue mich, Sie alle zur Hochzeit von Emory Walker und Cole Porter willkommen zu heißen. Wer gibt diese Frau in die Ehe?«

Harvey räuspert sich. »Das tue ich.«

Ich drehe mich zu ihm um, lächele ihn an. Was würde ich nur je ohne ihn tun? Vaterersatz, Mentor und Freund. Ich presse meine Finger gegen meinen Mund, küsse sie und schicke ihm den Kuss. Sein stolzes Nicken ist alles, was ich mir je wünschen könnte.

Ich drehe mich zum Priester um, der versprochen hatte, nicht zu schwafeln, es aber nicht sein lassen kann. Nachdem er zwanzig Minuten über die Ehe doziert hat – ich wette, die Hälfte der Gäste sind bereits eingeschlafen –, kommt er endlich zum wichtigen Punkt.

»Willst du, Emory Walker, den hier anwesenden Cole Porter zu deinem Mann nehmen? Willst du ihn lieben und ehren, in Gesundheit und Krankheit, bis zum Ende eures Lebens?«

Ich schaue zu Cole auf, und er sieht zu mir. Er ist sich sicher, meine Antwort zu kennen. Einen Moment bin ich gewillt, Nein zu sagen, nur um ihn zu ärgern, aber das brächte ich nicht fertig. Er ist die Liebe meines Lebens, und ich will nichts lieber, als seine Frau zu werden, um ihn bis zum Ende unserer Tage ärgern zu können.

»Ja, ich will.«

Er grinst so arrogant, dass ich ihm den Ellenbogen in die Rippen stoßen will.

»Willst du, Cole Porter, die hier anwesende Emory Walker zu deiner Frau nehmen? Willst du sie lieben und ehren, in Gesundheit und Krankheit, bis zum Ende eures Lebens?«

»Ja, ich will«, sagt er, ohne zu zögern, laut und fest, so als wäre es unumstößlich.

 Ich drücke seine Hand, bin so wahnsinnig froh, dass er damals nach Sweetwater gekommen ist, um mein Leben auf den Kopf zu stellen.

»Die Ringe«, sagt der Priester leise, und Cole holt die kleine Schachtel aus der Tasche. Er reicht mir seinen.

»Mit diesem Ring nehme ich dich zu meinem Ehemann«, sage ich leise, sodass nur er es hören kann, schiebe das schlichte Platinband über seinen Ringfinger.

Cole lächelt, als er meinen Ring in die Hand nimmt, ihn mir ansteckt. »Mit diesem Ring nehme ich dich zu meiner Ehefrau, Mrs. Cole Porter.«

Ich verdrehe die Augen. Dafür wird er nachher büßen.

»Hiermit erkläre ich euch zu rechtmäßig verbundenen Eheleuten. Du darfst die Braut jetzt küssen.«

Und das lässt sich Cole nicht zweimal sagen. Ganz sicher nicht. Er umfasst mein Gesicht, drückt seine Lippen auf meine, bevor seine Hände zu meiner Taille wandern, und er mich hochhebt. Lachend schlinge ich meine Arme um seinen Hals, höre das Jubeln unserer Familie und Freunde, und kann mich nicht daran erinnern, jemals so glücklich gewesen zu sein.

Nichts ist besser, als Mrs. Cole Porter zu sein. Aber das werde ich ihm ganz sicher niemals auf die Nase binden.

Als er mich auf den Boden stellt, bin ich mir ziemlich sicher, dass nichts mehr von meinem Lippenstift vorhanden ist, aber das ist nicht so schlimm. Schließlich sind wir jetzt schon verheiratet, und es gibt keine Chance mehr für ihn, einen Rückzieher zu machen.

Bevor ich so richtig weiß, wie mir geschieht, umarmen und küssen mich meine Freundinnen. Ich finde mich erneut in einer Gruppenumarmung wieder, und lachend hüpfen wir auf und ab.

Mir ist so, als würde ich hören: »Da hast du keine Chance, Mann.«

Grinsend falle ich meinen besten Freundinnen um den Hals, bevor ich zurück zu ihm gehe. Er reicht mir seine Hand, und gemeinsam schreiten wir in die Zukunft.