Love the Lonely – Vergangen

CAREY

Es ist gleichzeitig einfach und auch furchtbar schwer, einen neuen Rhythmus zu finden. Leicht, weil das Leben hier simpel ist. Niemand erwartet etwas von mir. Ich kann einfach in den Tag hineinleben. Dinge tun, die ich wirklich tun will.

Und schwer, weil ich diesen Müßiggang nicht gewöhnt bin. Ich weiß wirklich nichts mit mir anzufangen. Wie machen das denn Rentner zum Beispiel? Wie können sie den ganzen Tag nichts tun und damit auch noch zufrieden sein?

Weil mir das nicht liegt, renoviere ich das Haus.

Und das hat es wirklich nötig. Nicht nur die Matratze war ziemlich ekelig. Es gibt hier so einige Stellen, die möchte ich nicht mal mit der Kneifzange anfangen. Das Haus steht, wie eigentlich alle in dieser Gegend, auf Stelzen und hat keinen Keller. Aber bei dem schrecklichen Hurrikan, der hier letztes Jahr gewütet hat, sind wahre Wassermassen durch die Straßen geflossen, und da ist nicht jedes Haus trocken geblieben. Dieses hier schon mal nicht.

Leider hat sich niemand wirklich die Mühe gemacht, dafür zu sorgen, die Feuchtigkeit wieder aus dem Haus zu bekommen.

»Du musst das echt nicht machen«, meint Eva und schlingt mir die Arme um den Hals.

»Ich weiß, aber ich muss irgendwas tun.« Ich teste die Tragfähigkeit des Bodens in der Ecke der Küche, die vor sich hin modert.

»Du könntest doch einfach mal entspannen.« Sie zieht eine Schnute. »Nächste Woche bin ich doch schon wieder in Panama City.«

Ich seufze. »Ich weiß. Aber du musst doch auch mit den Hunden rausgehen.«

Sie setzt sich auf einen der Küchenstühle, die nicht zueinander passen. »Wie machen wir das überhaupt? Ich mein, wenn ich zurück am College bin.«

»Du hast doch gesagt, dass du nur zwei Tage weg bist.«

»Aber zwei Tage können ganz schön lang sein.«

Ich grinse sie an. »Das werden wir schon überstehen.«

»Sprich nur für dich.« Sie greift in mein T-Shirt, zieht mich langsam zu sich. »Ich glaub nicht, dass ich überlebe, wenn ich auch nur eine Sekunde von dir getrennt bin.«

Ich stütze meine Hände neben ihren Oberschenkeln auf der Sitzfläche auf. »Aber wir sind zwischendurch doch auch mal ein paar Sekunden getrennt.« Ein Blick auf die Küchenuhr bestätigt meine Vermutung. »Wie zum Beispiel in fünf Minuten. Da warten Snuggles, Bandit und Rico auf dich.«

Sie schlingt ihre Arme um meinen Hals. »Weißt du, wie süß es ist, dass du dir die Namen der Hundis gemerkt hast?«

»Ich bin ja auch so süß.«

»Bist du.« Sie drückt ihre Lippen gegen meine.

Ich küsse sie kurz zurück, bevor ich mich löse. »Siehst du, das werden wir auch überleben, also auch zwei Tage, in denen du studierst. Und das gibt mir Zeit, das Haus zu renovieren.«

»Findest du denn wirklich, dass das sein muss?«

Wenn ich mich hier so umsehe, dann fällt es mir sofort ins Auge, dass das hier eigentlich kein Zustand ist. Ich frage mich, wieso ihr das entgeht. Andererseits weiß ich aber auch, wie das Haus ihrer Eltern aussieht, daher sollte es keine Überraschung sein.

»Ja, es muss sein. Diese feuchte Stelle geht gar nicht. Sie schimmelt. Das ist gesundheitsschädlich. Das Dach muss ausgebessert werden, die Stufen der hinteren Veranda sind lebensgefährlich. Jemand muss sich die Stelzen unter dem Haus ansehen, weil die bestimmt auch nicht mehr so stabil sind, wie sie mal waren. Ansonsten braucht alles einen frischen Anstrich und wenn man das Bad upgraden würde, wäre das hier plötzlich keine Bruchbude mehr, sondern ein richtig schickes Haus.«

Sie verzieht das Gesicht bei dem Wort Bruchbude, und sofort bekomme ich ein schlechtes Gewissen, weil ich so abfällig über ihre Lebensumstände spreche.

»Hm.« Zum ersten Mal, seit wir uns kennen, ist sie nicht gutgelaunt, sondern ihr hübsches Gesicht bewölkt.

Seufzend gehe ich zu ihr, knie mich vor sie, lege meine Hände an ihre Hüften. »So meinte ich das nicht. Tut mir leid.«

»Du bist ein Snob.« Sie verschränkt die Arme vor der Brust, was dazu führt, dass mein Blick von etwas ganz anderem angezogen wird.

»Vielleicht manchmal«, sage ich mit trockenwerdendem Mund. Seit ich Eva kenne, habe ich dauernd Sex, davor aber wirklich lange gar keinen, und irgendwie macht mich das zu einem geilen Teenie, der es immer will.

»Weißt du, meine Augen sind hier oben.« Ich höre das Flirten in ihrer Stimme, stehe auf, ziehe sie dabei mit nach oben und platziere sie auf der Tischkante, bevor ich ihr Gesicht umfasse und sie küsse. Nicht so einen kleinen Kuss wie eben, sondern so, dass wir nach wenigen Sekunden beide vollkommen außer Atem sind und vor lauter Lust nicht mehr richtig denken können. So einen.

Und da ist es uns auch vollkommen egal, dass wir eigentlich gerade gar keine Zeit für mehr haben …

Weil mein Mustang immer noch in der Werkstatt steht – keine Ahnung, was Jared da treibt –, nehme ich Evas Auto, um zum Baumarkt zu fahren. Ich hatte mich gewundert, dass es in so einem kleinen Ort überhaupt einen gibt, aber ich habe das Gefühl, ich werde in den nächsten Wochen der beste Kunde werden. Als ich gerade auf den Parkplatz einbiege, pingt mein Handy.

Mac: Hey, alles okay bei dir?

Ich stelle den Wagen ab, kille den Motor, bevor ich antworte.

Ich: Alles super. Und bei euch? Wie geht es Hazel?

Seit unserem Telefonat hat sie sich nicht mehr bei mir gemeldet. Besser kann sie nicht sagen, dass sie immer noch sauer auf mich ist. Mehrmals habe ich angerufen, habe ihr Nachrichten geschickt, aber von ihr kommt nur Funkstille. Vielleicht will ich auch deshalb unbedingt was tun, weil ich es nicht aushalten kann, dass sie mich schneidet. Wir hatten noch nie Streit. Ganz im Gegenteil. Es war immer Hazel und Carey gegen den Rest der Welt.

Ich seufze. Vielleicht ist das auch genau das Problem gewesen, das Hunter mit der Situation hatte. Er hatte nicht so wirklich eine Schnitte, wenn ich ehrlich bin. Würde mich auch fuchsen, wenn Hazel meine Tochter wäre.

Mac: Sie schmollt noch, aber du weißt, dass sie dich liebt, C. Über alles.

Ich:  Ja, weiß ich. Trotzdem ist es nicht leicht zu wissen, dass sie mich gerade hasst.

Mac: Dann weißt du jetzt mal, wie es sich anfühlt, nicht ihr Liebling zu sein. 😀

Ich: Hätte ich drauf verzichten können. Wie hast du die Momente ausgehalten, in denen Hazel dich geschnitten hat?

Mac: Wodka.

Ich: 😀 😀 😀 Spinnerin. Wie geht es dir denn?

Mac: Ach, viel zu tun, aber sonst alles okay. Es ist ja auf jeden Fall befriedigend.

Ich: Also darüber will ich echt nichts hören …

Mac: Typisch. Ich red von meiner Arbeit, und du hörst nur Sex. Wann ist diese Phase eigentlich vorbei? 😀

Ich: Kann nur für mich sprechen, aber schätze nie.

Einen Augenblick überlege ich, ob ich Mac von Eva erzählen soll. Es ist nicht so, dass ich ihr was verheimlichen will, ganz und gar nicht, aber … keine Ahnung. Ich will nicht, dass sie denken – dass Hazel denkt –, ich würde jemand anderen ihnen vorziehen, denn so ist es nicht. Sie sind immer meine Nummer eins.

Mac: Puh, da hab ich ja noch viel Leid vor mir. Du hattest schon länger keinen, oder?

Ich: Bietest du dich an, oder was?

Mac: 😀 Quatsch, aber vielleicht solltest du dich an der Stelle mal bemühen.

Ich: Ah, ich bin so gerührt, dass du dich um mein Liebesleben sorgst.

Mac: Nicht dein Liebesleben, dein Sexleben. Vielleicht ist das, was du brauchst, richtig guter Sex.

Ich: Lass das mal meine Sorge sein, Doll.

Mac: Gibt es in Florida eigentlich Menschen unter siebzig?

Ich: Zwei oder drei.

Mac: Hast sie schon alle gefunden?

Ich: Bin noch auf der Suche, aber eine kenn ich schon.

Bei diesen Worten kommt mir Olivia in den Sinn. Gut, vielleicht kenne ich schon zwei.

Mac: Ehrlich? Erzähl mir mehr.

Ich: Sie heißt Olivia und hat hier so eine Art Trödelladen.

Keine Ahnung, wieso ich lieber von ihr als von Eva spreche, aber es scheint, da ist die Gefahrenlage geringer, dass sich irgendjemand vor den Kopf gestoßen fühlt.

Mac: Ohhh, ein guter Name. Magst du sie?

Ich: Nicht so, wie du denkst, aber sie ist echt nett. Könnte nicht schaden, ein paar Leute hier zu kennen.

Mac: Besonders weibliche Leute. 😀

Ich: Leute im Allgemeinen.

Mac: Ja, ja. Klar. Leute im Allgemeinen, aber mit Brüsten.

Ich denke einen Augenblick an die Brüste, die ich vor wenigen Minuten noch in den Händen gehalten habe, denke an Evas Schlafzimmeraugen, die sich in meine gebohrt haben, als ich in sie gestoßen habe. Fuck. Ich war offensichtlich wirklich fast verdorrt, wenn mich die Erinnerung so geil macht, nachdem ich es doch gerade getan habe. Ich schüttele den Kopf, versuche, mich ein wenig bequemer zu setzen, während mein Schwanz hart wird. Fuck. Echt.

Ich: Sie ist wirklich nur eine Freundin, aber das ist vielleicht genau das, was ich gerade brauche. Jemanden zum Quatschen.

Und jemanden zum Vögeln, aber dafür habe ich Eva. Immer, wenn ich an sie denke, wird mir ganz warm. Keine Ahnung, ob das nur Lust ist, oder ob sich auch schon echte Gefühle entwickeln. Ich kann nur sagen, dass sie einfach so heiß ist, dass ich ihr ständig die Kleider vom Leib reißen will.

Mac: Hey, das ist doch super. Menschen, mit denen man quatschen kann, sind absolut die besten.

Ich: Ja, find ich auch. Hey, ich muss los. Gib Hazel einen Kuss von mir und sag ihr, dass ich sie lieb hab.

Mac: Mach ich. Hey, und C?

Ich: Ja?

Mac: Meld dich öfter. Ich vermisse dich.

Ich: Ich dich auch, Doll. Ich dich auch.

Ich bleibe noch einen Augenblick im Auto sitzen, lehne den Kopf an, frage mich, ob es so sinnvoll ist, ein Leben mit Menschen, die ich liebe, für eines aufzugeben, in dem ich vielleicht nicht allein bin, aber doch nicht so viele Personen habe, mit denen ich in Kontakt stehe. Na ja, wie man sich bettet, so liegt man. Und nachdem wir eine neue Matratze gekauft haben, liege ich eigentlich ganz gut.

Langsam steige ich aus dem Wagen aus, gehe über den Parkplatz in den Hardwarestore. Er ist nicht besonders groß, aber mit einem Blick erkenne ich, dass ich wohl alles finden werde, was ich brauche. Werkzeug, Farbe, Holz, Schrauben …

Ich würde nicht behaupten, dass ich wirklich weiß, was ich tue, aber ich habe mir ein paar YouTube-Videos angesehen und bin jetzt natürlich Experte. Ich grinse bei dem Gedanken, aber so falsch ist er gar nicht. Schließlich habe ich so auch das Restaurieren meines Mustangs gelernt. Wenn man weiß, was man sucht, dann können einem ein paar gute Videos wirklich helfen.

Ich gehe in den Bereich mit dem Holz und sofort werde ich von einem Mitarbeiter angesprochen, der offensichtlich nicht in der YouTube-Uni gelernt hat, sondern ein echter Experte ist. Es ist wirklich ein wahrer Glücksgriff, anders kann man es nicht sagen, denn er gibt mir so viele Tipps, sucht mir genau das raus, was ich brauche, und macht mir noch einen guten Preis. Was will man mehr?

Einen Pick-up. Das wird mir klar, als ich mit meinem Zeug auf dem Parkplatz stehe und mich frage, wie ich das alles in den alten Camaro bekommen soll. Seufzend rufe ich Eva an, frage, ob sie jemanden kennt, der einen größeren Wagen und auch Zeit hat. Da hier jeder jeden kennt, wundert es mich nicht, dass kurze Zeit später so ein richtig fetter Pick-up vor mir steht. So einer, der auch noch breiter ist als das Standardmodell. So einer, den man heute eigentlich nicht mehr fahren sollte, weil das Ressourcenverschwendung ist. Aber hey, wer bin ich zu urteilen, wenn ich mit einer Spritschleuder durch halb Amerika gefahren bin?

Richtig. Niemand.

»Carey?«, fragt der Riese, der aus dem Wagen steigt. Er ist vielleicht ein paar Zentimeter kleiner als ich, aber er wirkt, wie ein Koloss, weil er einfach so breit wie ein Schrank ist. Da braucht er auch so einen großen Wagen. Einen Augenblick sehe ich ihn in einem Mini Cooper sitzen und muss schmunzeln.

»Hey, ja, du bist Deacon?«

Er grinst und reicht mir die Hand. »Genau der. Du brauchst Hilfe, sagt die kleine Shuler?«

»Ich hab mich wohl ein bisschen hinreißen lassen«, gebe ich zu und zeige auf den Berg an Holz, der neben mir liegt.

»Passiert den Besten, Mann.« Er deutet auf meinen Einkauf. »Scheint ein größeres Projekt zu werden.«

Ich nicke. »Eva und ich sind in das Haus ihres Onkels gezogen.«

»Ah, an der elften Straße?«

»Ja, genau. Da muss so einiges gemacht werden, bevor man darin gemütlich wohnen kann.«

»Mein Reden. Keine Ahnung, wie der alte Tyler tatsächlich denkt, man könnte die Bruchbude vermieten und dafür auch noch Geld verlangen.«

»Du sprichst mir aus der Seele. Na ja, aber man kann da ja vielleicht ein bisschen was machen.«

»Find ich gut. Also, du und die kleine Shuler?«

Ich nicke. »Ja, es ist noch frisch.«

Sein Blick ist irgendwie merkwürdig. »Ich will mich nicht einmischen …«

Neugierig, wie ich bin, frage ich: »Aber?«

Deacon seufzt. »Mit manchen Menschen sollte man es sich nicht verscherzen, wenn du verstehst, was ich meine.«

Wie in Zeitlupe nicke ich, obwohl ich eigentlich gar nichts verstehe. Eva ist doch nicht gefährlich. Das kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen. Jedenfalls nicht körperlich. Für mein Herz könnte sie umso gefährlicher sein. »Eva?«, frage ich deswegen nach.

Er lacht auf. »Nein, aber na ja … ihre Familie ist kein unbeschriebenes Blatt. Aber hey, ich will dir da auch gar nicht reinreden.« Er sieht mich ein wenig schief an, was einen lustigen Eindruck macht. So ein Koloss von einem Kerl ist verlegen. »Du wirst schon wissen, was du tust.«

Ich nicke zuversichtlich, wobei ich nicht weiß, ob ich das wirklich bin. Aber so ist das mit den Hormonen, oder? Man schlägt Warnungen in den Wind, die eigentlich nur gut gemeint sind, weil man einfach so verdammt geil ist. Und das bin ich. Dazu kommt noch, dass ich sie auch mag. Sie ist süß. Wirklich süß.

Wir laden das Holz auf den Truck, und dann fahre ich ihm hinterher zum Haus. Gott sei Dank fährt er vor, so muss ich nicht zugeben, dass ich mir den Weg nicht gemerkt habe.

Nachdem meine Einkäufe auf der Veranda liegen, sieht mich Deacon an. »Hey, wenn du mal Lust auf ein Bier hast … Komm vorbei. Ich wohn ein paar Blocks da lang. Das blaue Haus auf der linken Seite. Kann man nicht verfehlen.«

»Cool, mach ich.« Hatte ich nicht gerade noch Mac erzählt, dass man Menschen braucht? Einfach nur zum Quatschen. Wobei Deacon nicht so aussieht, als wäre er der Typ, der viele Worte macht.

»Heute Abend hab ich Bereitschaft, aber die nächsten beiden Abende sind frei.«

»Alles klar.«

Er tippt sich an den Schirm seiner Baseballcap, bevor er die Hände tief in den Taschen vergräbt und zu seinem Truck zurückgeht, wobei die Dielen der Treppe verdächtig knarren. Mist, auch vorne muss so einiges gemacht werden. Wie gut, dass ich nichts mehr als Zeit habe.

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