Bonusszene All the things we love
Ich streiche eine Zeile durch, während Niall mich anlächelt. Es fühlt sich gut an. Ich lasse meinen Blick über die verschiedenen Punkte gleiten.
Es hat eine Weile gedauert, bis ich diese Liste – unsere Liste – ohne negative Gefühle betrachten konnte. Erst dachte ich, dass Susanna mir diese ganze Bucket-List-Sache komplett vermiest hat. Aber dann hat Niall vorgeschlagen, dass ich nicht versuchen soll, eine eigene Liste zu schreiben, sondern dass wir eine gemeinsame schreiben. Eine, auf der es keinen Punkt fünf gibt. Zumindest nicht so einen.
Mit ihm zusammen ging es leichter. Auch, wenn ich beim Abstreichen der ersten paar Punkte leicht zusammengezuckt bin, weil ich dachte, gleich steht da wieder: 5. Mach meinen Ex in dich verliebt und brich ihm das Herz.
Niall mag mir vergeben haben, aber das heißt noch lange nicht, dass ich es auch getan habe. Ich kann es immer noch nicht fassen, dass ich mich auf dieses Spiel eingelassen habe. Nein, es war kein Spiel. Es war eine Gemeinheit.
Ich seufze.
»Was denkst du?«
Ich will es nicht sagen, will nicht, dass er daran erinnert wird, wie alles zwischen uns angefangen hat. Aber nachdem ich so lange nicht ehrlich war, kann ich nicht unehrlich sein. Das geht einfach nicht. »An die erste Liste«, sage ich leise.
Er legt seine Hand auf meine. »Tut mir leid, dass es dich immer noch belastet.«
»Manchmal kommt der Gedanke wieder auf …«
Er zieht das Blatt Papier zu sich, überfliegt die Punkte, die wir abgestrichen haben, liest die, die noch offen sind, bevor er nach dem Stift greift. Er legt seine Hand so, dass er verbirgt, was er schreibt. Neugierig versuche ich aus den Bewegungen die Buchstaben zu erahnen.
Als er fertig ist, grinst er breit.
»Was hast du geschrieben?«, frage ich.
»Bist du sicher, dass du es sehen willst?«
Ich nicke. »Unbedingt.«
Und dann schiebt er mir das Blatt zu. Mein Blick heftet sich sofort an die neue Zeile.
23. Emily fragen, ob sie mich heiraten will.
Geschockt fliegen meine Augen zu ihm, aber da ist nur dieses Grinsen, dieses frech-charmante Grinsen, in das ich mich sofort verliebt habe. Oder beinahe. Wobei ich einfach nur gebraucht habe, bis ich es mir eingestanden habe.
»Sag nichts.«
Aber ich kann auch gar nichts sagen.
Er zieht das Blatt wieder zu sich, platziert seine Hand wieder so, dass ich nichts sehe. Als er mir das Papier dieses Mal zuschiebt, steht unten drunter. Ja, Nein, Vielleicht. Jeweils mit einem Kästchen zum Ankreuzen.
Ein Lächeln stiehlt sich auf mein Gesicht, und ich halte meine Hand auf, damit er mir den Stift gibt.
»Du kannst ihn nur haben, wenn du das Richtige ankreuzt«, sagt er, zwinkert mir zu. Viel zu genau wissend, was meine Antwort sein wird.
»Oh, das werde ich. Glaub mal.«
Ein Hauch von Unsicherheit schwimmt in seinen Augen, ganz kurz nur. Ich sehe es nur, weil ich ihn so gut kenne. Dann ist es wieder weg, und das Grinsen ist zurück. Er ist sich sicher. Ganz sicher.
Er legt den Stift in meine offene Hand, und ich platziere meine andere so, dass er nicht sehen kann, was ich ankreuze. Ich höre sein amüsiertes Lachen.
»Da hast du aber mehr als nur ein Kreuz gemacht«, meint er, bevor ich den Kopf hebe.
»Willst du es sehen?«
»Zeig her.«
Ich hebe meine Hand, und bevor ich das Blatt noch zu ihm schieben kann, reckt er die Faust in die Luft.
»Fuck ja.«
Ich lache auf. »So romantisch wie immer.«
Er beugt sich über den Tisch, schlingt seine Arme um mich, zieht mich an sich. »Ich wusste, du kannst mir nicht widerstehen.«
»Du bist so ein arroganter Kerl.«
»Hey, kannst du es mir verübeln? Das tollste Mädchen von allen hat meinen Antrag angenommen.« Er deutet auf das Papier, auf dem bei Ja nicht nur ein Kreuz ist, sondern jede Menge weitere. »Ein Dutzend Mal, wenn ich das richtig sehe.«
Ich grinse, aber bevor ich noch antworten kann, sind seine Lippen auf meinen. Und so wichtig sind Worte ja auch nicht …
***
Ich trete auf den Balkon unseres Hotelzimmers, schaue über die Bäume von Crystal River in Florida. Da hinten, da ist der Fluss, in dem wir heute Punkt sieben unserer neuen Liste abgearbeitet haben. Wobei … Ist es Arbeit, wenn es so viel Spaß gemacht hat?
Ich wusste gar nicht, dass man mit Seekühen schwimmen kann, als Niall es vor einem Jahr auf dieses Papier geschrieben hat. Aber es war eine der besten Erfahrungen meines Lebens. Diesen sanften Tieren so nah zu sein, sie beim Grasen zu beobachten, war genau das, was ich gebraucht habe. Es war so ruhig, so friedlich. So absolut das Gegenteil von unserem manchmal doch recht hektischen Leben.
Und dann ist eine genau vor mir aufgetaucht. Hat mir sozusagen direkt ins Gesicht gesehen. Ich meine sogar, dass sie mir in die Augen geschaut hat – und ich habe nicht in Gedanken gesagt: Schau mir in die Augen, Kleines. Okay, habe ich wohl.
Eigentlich darf man die Tiere nicht berühren, außer einmal kurz, wenn sie von sich aus Kontakt aufnehmen. So ganz genau weiß ich nicht, ob das als Kontaktaufnahme galt, aber ich konnte sie auch nicht nicht berühren. Ganz kurz nur. Aber das hat schon gereicht.
Die Tiere überwintern hier im Fluss, weil dieser nicht so kalt wie das Meer wird. Nur deswegen hat man überhaupt die Chance, sie so nah zu sehen. Und das ist wunderschön, aber auch traurig. Denn viele der Tiere haben schwere Verletzungen überlebt, haben Narben an ihren grauen Körpern. Sie alle stammen von Schiffsschrauben.
Es ist traurig, zu wissen, dass der Mensch das Leben von allen anderen Lebewesen aus dieser Erde schlechter macht. Außer vielleicht das von Hunden, wenn ich da an all die lustigen Videos denke, die Niall mir schickt.
Die Tür hinter mir wird aufgezogen, und es dauert nicht lange, bis warme Arme sich um mich schlingen. Ich schmiege mich gegen Niall, der mir einen Kuss auf die Schulter drückt, an die Stelle, an der mein Kleid runtergerutscht ist.
»Zweifelst du an deinen vielen Kreuzen?«
Ich lache auf. »Keine Sekunde.«
»Ich dachte nur, weil du ja keinen Ring hast.«
Seine Finger liegen auf meinem Bauch, und ich schiebe meine dazwischen. »Wieso hab ich keinen?« Etwas, was mir bisher noch gar nicht aufgefallen ist.
»Weil ich das vielleicht nicht so richtig gut geplant hab.«
»Du willst mich einfach nur spontan heiraten?«
Er lacht auf. »Hey, dann hätte ich Flüge nach Vegas gebucht.«
»Hast du?«
»Ich denke nicht, dass die verrückten Sullivans mir vergeben würden, wenn ich ihnen eine Hochzeit vorenthalte.«
»Deine Mom ganz sicher nicht.«
»Bestimmt nicht. Sie würde mich umbringen. Und was hättest du davon? Hättest vierundzwanzig Stunden einen Mann und wärst dann Witwe. Und bei mir ist nichts zu holen.«
Ich lache erneut auf, bevor ich mich in seinen Armen drehe, meine um seinen Hals schlinge. »Bei dir ist jede Menge zu holen.«
»Sex, ja. Großartige Konversationen. Schlagfertige Witze. Das ja. Aber kein Geld.«
»Und was für einen Ring bekomm ich dann? Einen aus dem Kaugummiautomaten?«
Er wiegt den Kopf hin und her. »Bin mir tatsächlich nicht sicher, ob ich mir den leisten kann.«
Grinsend gebe ich ihm einen Klatsch auf die Brust. »Du bist so ein Spinner.«
Und das ist er auch. Aber vor allem ist er meiner. Mein Niall.