Bonusszene All the things we miss

Riaan

Irgendwann später

Ich liege am Pool eines Boutiquehotels am Strand von Belize. Gutes Essen, Tauchen, Nichtstun. Das sind die Dinge, die sich gerade so richtig gut anhören.

Die letzten Monate hatte ich viel um die Ohren. Köche haben nicht besonders viel Freizeit. Außerdem bin ich auch noch umgezogen und bei meiner verrückten Familie ist auch immer irgendwelches Drama los.

Aber da will ich nicht dran denken. Wirklich nicht.

Nicht jetzt, da ich am Pool liege und mir die Sonne auf den Bauch scheinen lasse. Ich höre ein Hörbuch, bei dem ich froh bin, dass es Kopfhörer gibt, denn sonst wüssten alle um mich herum, was ich mir da reinziehe. Okay, es ist Emily Henry …

Die Sonne scheint mir auf den Bauch, der Schweiß läuft in kleinen Bächen an mir hinab. Ab und an wische ich mir über die Stirn, weil ich es nicht mag, wenn mir die salzigen Tropfen in die Augen laufen. Aber das würde ich meinen Brüdern niemals sagen. Und erst recht nicht meiner Schwester …

»Hey«, höre ich plötzlich eine tiefe, weibliche Stimme, die klingt, wie heißer Honig.

Langsam öffne ich ein Auge. »Hola.«

»Hablas inglés?«

»Yep.«

Sie lächelt mich an, setzt sich auf die andere Liege. »Was bringt einen gutaussehenden Mann, wie dich hierher?«

Ich grinse, setze mich langsam auf, schwinge die Füße auf den Boden, ihre Knie zwischen meinen. »Du findest mich gutaussehend?«

»Fischt da jemand nach Komplimenten?« Sie grinst mich an, die Sonne spielt mit ihren kupferfarbenen Strähnchen.

»Zeig mir den Mann, der sich nicht freuen würde, wenn eine heiße Frau ihn attraktiv findet?«

»So, du findest mich heiß?«

Ich lege meine Hände auf ihre nackten Oberschenkel, ziehe sie noch ein bisschen näher zu mir. »Hab ich dir das nicht zur Genüge letzte Nacht bewiesen?«

Sie schlingt ihre Arme um meinen Hals. »Du hast es bewiesen … Zur Genüge? Wohl eher nicht, wenn ich jetzt schon wieder mit dir aufs Zimmer gehen könnte.«

Ich lache auf. »Unersättlich.«

»Als wär ich da die einzige.«

»Bist du nicht«, gebe ich zu, umfasse ihre Wangen, drücke meine Lippen auf ihre. »Aber wir haben gleich einen Termin zum Tauchen.«

Taylor zieht eine Schnute. »Immer bist du der Spielverderber.«

»Hey! Nennst du mich erwachsen und verantwortungsbewusst?«, scherze ich.

Sie schüttelt den Kopf. »Das würde echt zu weit gehen.«

»In der Tat.« Ich küsse sie noch einmal, bevor ich sie mit mir hochziehe. »Hast du alles?«

Sie seufzt, greift aber nach ihrer Strandtasche. »Bin bereit.«

»Das Lighthouse Reef Atoll soll ein paar der besten Tauchspots in Belize haben. Vielleicht in der ganzen Karibik.« Ich schaue zu ihr, sehe, wie sie mich lautlos nachäfft.

Grinsend schlinge ich meinen Arm um ihre Schultern, ziehe sie an mich. »Du bist so ein Biest.«

Sie zuckt mit den Schultern. »Ist ja nicht so, als hätte ich das nicht schon dreitausend Mal auf dieser Reise gehört. Und wir sind erst seit drei Tagen hier.«

»Ja ja. Ich liebe eben Abenteuer.«

Sie legt mir den Arm um die Taille, bevor sie nickt. »Das ist eine deiner besten Eigenschaften.«

»Und was noch?«

»Also, jetzt fischst du wirklich nach Komplimenten.«

Langsam schlendern wir zum Bootssteg des Hotels. Das Wasser ist türkis, der Himmel strahlend blau, die Sonne brennt. Genau so wie man sich die Karibik vorstellt.

Ich begrüße den Tauchlehrer Alvaro mit Handschlag, bevor ich ins Boot steige, und dann Taylor die Hand reiche. Wen will ich verarschen? Sie braucht meine Hilfe nicht, aber immer mal wieder nimmt sie sie an. Wahrscheinlich, um mein Ego zu streicheln …

Die Fahrt dauert etwa zweieinhalb Stunden, aber einen Großteil der Zeit werden wir damit verbringen, uns Alvaros Anweisungen anzuhören, die Ausrüstung zu prüfen und irgendwelche schlechten Snacks zu futtern. Daher genießen wir die Momente, die wir in der Sonne auf dem Deck sitzen können.

Das Lighthouse Reef Atoll beherbergt unter anderem das Great Blue Hole und das Aquarium. Zwei Spots, an denen wir heute halten werden. Ich war schon öfter in der Karibik, aber noch nicht in Belize. Irgendwie ist mir das kleine Land zwischen Mexiko und Guatemala immer entwischt.

Und das, obwohl ich super gern tauche.

Wie gut, dass ich diesen Fauxpas wieder gerade biegen kann.

Das Glück dauert nicht lange, denn dann holt uns Alvaro in die Kabine, wo er eine Einweisung gibt – die Taylor und ich nicht brauchen, weil wir beide erfahrene Taucher sind –, aber einige der anderen sehen ein klein wenig ängstlich aus. Was ich verstehen kann. Mein erster Tauchgang war an einer Stelle, die sich Shark Hole nennt. In meiner grenzenlosen Naivität hatte ich irgendwie nicht darüber nachgedacht, dass da wirklich Haie sein werden …

Zum Glück, sage ich aus heutiger Perspektive, denn schließlich liebe ich diese Tiere, aber als ich damals einen gesehen habe, hätte ich mir beinahe in die Hose gemacht. Habe ich nur nicht, weil das wirklich ekelig im Neoprenanzug ist …

Dann ist es an der Zeit, unsere Neos anzuziehen und die Ausrüstung zu prüfen. Taylor wird mein Tauchbuddy sein, denn es ist immer sicherer zu zweit runter zu gehen. Schließlich kann immer was passieren – toi toi toi.

»So, meine Freunde, gleich sind wir am Blue Hole. Wir werden als Gruppe ins Wasser gehen, aber sobald wir an den Felswänden angekommen sind, könnt ihr euch verteilen.«

Ich küsse Taylor noch einmal, bevor ich ein weiteres Mal ihre Ausrüstung kontrolliere. Sie macht dasselbe bei mir, und dann können wir ins Wasser.

Ich bin an vielen Orten der Welt getaucht, aber das Wasser in der Karibik ist ganz besonders. Und auch jetzt fühle ich es wieder, als ich eintauche. Ich rücke meine Taucherbrille zurecht, nehme das Mundstück raus, schaue mich nach Taylor um.

»Alles okay?«, frage ich sie, und sie nickt grinsend.

Dann lauschen wir Alvaro, bevor wir unsere Mundstücke reinstecken, und mit ein paar Flossenschlägen unter Wasser sind.

Normalerweise verschränke ich die Arme immer vor der Brust, um das maritime Leben so wenig wie möglich stören zu können, aber jetzt greife ich nach Taylors Hand. Ihre Finger verflechten sich mit meinen, genauso wie es sich gehört.

Wir folgen am Ende der Gruppe, und warten nur auf Alvaros Zeichen, dass wir uns lösen dürfen. Und dann ist es so weit. Wir tauchen tiefer in das dunkelblaue Wasser – okay, so wirkt es von oben, aber hier unten wird es einfach nur ein bisschen dunkler.

Die Felswände reichen so tief hinunter, wie ich nicht mehr sehen kann. Und dann erreichen wir die Stalagmiten und Stalaktiten, für die dieses eingestürzte Höhlensystem bekannt ist. Es ist atemberaubend schön, und ich hoffe, dass Taylor gute Aufnahmen macht, schließlich hat sie die Go Pro in der Hand.

Ich drehe mich zu ihr um, zeige das Okay-Zeichen, und sie erwidert es. Irgendwie wünschte ich, dass wir miteinander reden könnten, damit ich ihr sagen kann, dass das hier das Unglaublichste ist, was ich je gesehen habe. Aber irgendwie glaube ich auf ihrem Gesicht zu erkennen, dass sie ebenso denkt – ich meine, wenn man überhaupt was vor lauter Taucherbrille und Mundstück sehen kann …

Langsam schwimmen wir durch diese einzigartige Formation, die man angeblich auch aus dem Weltall sehen können soll. Bis ins Universum werden wir es wohl nicht schaffen, aber wir haben noch einen Rundflug gebucht, der uns dieses Wunder auch von oben zeigen wird.

Mit Sicherheitsstopps tauchen wir schließlich wieder auf.

»War das cool!«, prustet Taylor, sobald wir wieder sprechen können.

»Besser als Sex?«, scherze ich.

»Viel besser.«

»Autsch«, gebe ich trocken zurück, wozu sie nur lacht.

Sie klettert die Leiter zurück an Bord, und ich folge ihr. Wir befreien uns von unseren Tauchjackets, das Personal an Bord hilft beim Flaschentauch, und dann holen wir uns was zu trinken. Wir setzen uns ans Deck, und ich nicke ihr zu.

»Zeig mal, was du so erwischt hast.«

Taylor grinst. »Oh, ich hab die besten Aufnahmen gemacht.«

»Das hoffe ich doch. Wie sollen wir sonst die anderen neidisch machen?«

Sie gibt mir die Go Pro, ich schalte sie an und scrolle dann durch die Bilder.

»Ähm, Taylor …«

»Ja?«

Ich zeige ihr das Display. »Wieso hast du die ganze Zeit den Finger vor der Linse?«

»Was?«, empört sie sich, aber die Beweise sind erdrückend. Ihr Zeigefinger ist eindeutig der Star des Fotoshootings. »O nein.«

»Die Kamera hat einen Bildschirm. Wie konntest du nicht sehen, dass dein Finger im Weg ist?«

»Ich hab nicht so genau hingesehen«, murmelt sie. »Oje.«

Ich verdrehe die Augen. »Da gibt man dir einmal eine Aufgabe …«

Sie versetzt mir einen Stoß, und ich lache. »Du bist ein Arsch, Riaan Sullivan.«

»Du bekommst die Kamera nie wieder.«

»Es ist meine!«

»Jetzt nicht mehr. Ich konfisziere sie wegen Kunstschändung.«

»Das hast du dir gerade ausgedacht.«

»Und wenn schon? Es ist die Wahrheit.«

»Du bist so fies.«

Ich drehe die Kamera. »Sag Cheese.« Dann drücke ich den Auslöser.

Als ich mir das Bild anschaue, sehe ich zwei begossene Pudel, die aber um die Wette grinsen.

Okay, Taylor ist natürlich immer heiß …

»Das ist mein liebstes Foto von uns«, sagt sie leise, lehnt sich an meine Schulter.

»Liegt nur daran, dass du so fotogen bist.«

Sie drückt ihre Lippen auf meine Haut. »Danke, dass unser Leben ein Abenteuer ist.«

Ich schlinge meinen Arm um sie. »Danke, dass du immer Ja zu Abenteuern sagst.«

Und dann … dann küsse ich sie.