Bonusszene Cian

Cian

Fünf Jahre später

Ich schaue in den Spiegel, rücke meine Fliege zurecht. Heute ist der große Tag. Der Tag, an dem ich Bryce heirate. Gut, eigentlich sind wir schon verheiratet. Seit genau sieben Jahren, fünf Monaten und dreizehn Tagen, aber wer wird denn so genau sein?

Ich hätte niemals gedacht, dass diese eine betrunkene Nacht in Las Vegas jemals mein größtes Glück sein würde. Okay, ich hätte sie nie geheiratet, wenn ich sie nicht auf den ersten Blick toll gefunden hätte, ganz sicher nicht.

Aber es sah jahrelang nicht nach einem Happy End aus. Wie ausgesprochen praktisch, dass die Annullierung nicht durchgegangen ist und sie deswegen nach San Francisco gekommen ist.

Ich grinse, während ich an unsere gemeinsame Zeit denke. Sie war absolut phänomenal.

»Was gibt es da zu Grinsen?«, fragt mein kleiner Bruder Eoin, tritt zu mir.

»Geht dich nichts an.«

Er kneift die Augen zusammen. »Du hast an Bryce gedacht.«

Noch ein letztes Mal zupfe ich an der Fliege, bevor ich mich umdrehe. »Und wenn?«

»Dann waren es wahrscheinlich tatsächlich keine Gedanken, die ich hören will.«

»Ganz sicher nicht«, wirft Roan ein, während er sich auf einem der Sessel fläzt.

Ich verdrehe die Augen, weiß nicht, was ich mit meinen Händen anstellen soll. Wenn ich sie vor der Brust verschränke, dann zerknittere ich den Anzug. In die Hosentaschen stecken ist vielleicht zu leger. Sie einfach runterhängen lassen … Hm, keine Ahnung.

»Hier«, sagt Roan und reicht mir ein Glas, in dem eine bernsteinfarbene Flüssigkeit ist. »Siehst so aus, als könntest du einen gebrauchen.« Dann grinst er. »Auch, wenn du doch schon ein alter Hase im Heiraten sein solltest.«

Dankbar trinke ich einen Schluck Whiskey. »Aber damals war es spontan. Keine Einladungen, keine Blumenarrangements, keine Tischordnung. Das war einfach. Jetzt allerdings … Es fühlt sich an, als wäre der Einsatz sehr viel höher.«

»Wobei du jetzt ja auch weißt, dass es deine absolute Traumfrau ist, die gleich am Altar auf dich zuschreitet«, meint Eoin.

»Irgendwie wusste ich das damals auch schon, aber ja. Das stimmt natürlich.« Dann blicke ich zu Roan. »Hast du Orla schon die Ringe gegeben?«

Wer besser als meine beste Freundin könnte mein Best Man sein?

»Hab ich. Sie will uns Bescheid sagen, wenn es so weit ist.«

»Gut.«

Ich leere das Glas, was ein Fehler ist. Denn jetzt weiß ich wieder nicht mehr, was ich mit meinen Händen machen soll. Wie nervös kann man eigentlich sein?

Dabei ist es nicht mal die erste Hochzeit. Nein, wir erneuern die Schwüre doch nur. Und es gibt eine große Party, eine, die meine Familie eingefordert hat.

Ich denke, es liegt daran, dass sie einfach gern feiern.

Und sie Bryce lieben.

Die Tür wird aufgerissen, und Orla erscheint. »Mist, alle schon angezogen.« Dann verzieht sie das Gesicht. »O Gott. Igitt. Ich muss mir den Mund mit Seife auswaschen.«

Eoin lacht auf. »Ich wusste nicht, dass wir mittlerweile Inzest als Familie gutheißen.«

»Nee, tun wir nicht. Ich denk ja nicht mal an euch als Männer.«

»Sondern?«, will Roan wissen.

»Als verdammte Trottel.« Sie lacht, bevor sie zu mir schaut. »Bereit?«

»Bisschen aufgeregt«, gebe ich zu.

Sie nickt. »Da ich die Braut schon gesehen hab, kann ich nur sagen: Solltest du auch, du verdammter Glückskeks.«

Aber irgendwie macht mich das ruhiger. Weil ich das ja tatsächlich bin. Wie viel Glück kann ein Mann haben?

Ich folge Orla aus dem Raum, den Gang entlang. Es ist Spätsommer in der Bay Area, sonnig, das erste Laub verfärbt sich schon. Deswegen haben wir uns für eine Outdoor-Zeremonie entschieden. Eine gute Entscheidung, wie ich merke, als ich aus dem Gebäude trete.

Unsere Familie steht teilweise noch rum, manche haben sich schon hingesetzt.

»Mein Junge«, sagt Mom, kommt mit offenen Armen auf mich zu. Dann drückt sie mich. »Ich bin so stolz auf dich. So glücklich.«

»Mom, Bryce und ich sind schon verheiratet.«

»Ja, aber ich war nicht dabei. Nicht, dass es deswegen nicht zählen würde, das wollte ich nicht sagen, aber … eine Mutter will dabei sein.« Sie lächelt mich an, während Dad mir auf die Schulter klopft.

Ich küsse sie auf die Wange, umarme Dad, bevor ich nach vorne gehe. Der Trauredner steht schon bereit. Ich reiche ihm die Hand.

»Ich hab gehört, die Braut ist schon da«, sagt er. »Das ist immer ein gutes Zeichen.«

»Wahrscheinlich, weil wir ja schon verheiratet sind. Ob sie kommt oder nicht, ändert nichts dran«, scherze ich.

»Ah, da waren Sie schlau.«

Und dann sehe ich Tara den Weg herunterkommen. »Da ist die Trauzeugin.«

Sie bleibt hinter den Stuhlreihen stehen, grinst mich an. Wieso sieht sie schon wieder aus, als hätte sie was ausgefressen? Die O’Brien-Frauen haben doch einen an der Waffel. Aber so richtig.

Die Musik geht an, und Tara schreitet langsam den Gang entlang. Sie trägt ein smaragdgrünes Kleid, das ihr bis zu den Knien reicht. Orla trägt ein rostrotes Kleid bis auf den Boden, aber Tara meinte, dass sie mit einem langen Kleid noch kleiner wirken würde. Oder so was in der Art. Ich habe nicht wirklich zugehört, wenn ich ehrlich bin.

Als sie bei uns ist, schenkt sie mir ein diabolisches Grinsen. Also entweder kommt Bryce jetzt mit rasiertem Kopf raus, oder sie verkündet mir, dass sie zum Zirkus gehen will. Eins von beidem …

Die Musik ändert sich, und dann geht die Tür auf.

Bryce tritt aus dem Gebäude, genau in dem Moment, in dem die Sonne durch die Zweige scheint und auf sie trifft.

Mann, bin ich ein Glückspilz. Kann man nicht anders sagen. Sie ist wunderschön.

Ihre langen roten Haare leuchten auf, das schlichte weiße Kleid schmiegt sich um ihre Kurven. Als sie näher kommt, sehe ich, dass es gar nicht so schlicht ist. Es ist über und über mit kleinen Perlen bestickt.

Ich lege mir die Handflächen vor den Mund, bin viel zu verblüfft, um irgendwas zu denken. Außer, dass meine Bryce die schönste Frau von allen ist.

Ich spüre die Tränen, die mir in die Augen steigen, blinzele sie weg. Versuche es zumindest.

Als sie damals neben mir am Tisch in Las Vegas saß und mir Pech gebracht hat, konnte ich nicht ahnen, dass wir sieben Jahre später hier sein würden. Im Kreise unserer Familie. Ihre Eltern haben sich nicht die Zeit genommen, aus San Diego zu kommen, was ich ihnen nicht verzeihen werde. Weil ich Bryce’ Gesicht gesehen habe, als sie die Nachricht bekommen hat.

Deswegen ist es umso besser, dass meine Familie auch ihre ist, seit sie vor fünf Jahren nach San Francisco gekommen ist.

»Hey«, sagt sie, als sie bei mir ist, lächelt mich an.

»Du bist atemberaubend«, murmele ich, bevor ich sie an mich ziehe.

Und wenn es nach mir ginge, würde ich sie nie wieder loslassen. Niemals wieder.

Ich drücke meine Lippen auf ihre Wange, bevor wir uns zu unserem Trauredner drehen.

Was genau er sagt, bekomme ich gar nicht wirklich mit, stattdessen spüre ich ihre Hand in meiner. Ihren Duft in meiner Nase, ihr Lächeln, das mich voller Liebe betrachtet. Ich bin wirklich ein Glückspilz.

»Ja, ich will«, höre ich da plötzlich von ihr und reiße mich zusammen. Beinahe hätte ich diesen wichtigen Moment verpasst. Ich hoffe, er hat mich noch nicht gefragt …

»Willst du, Cian Walsh, die hier anwesende Bryce Laurie noch einmal zur Frau nehmen? Willst du sie lieben und ehren, in guten wie in schlechten Zeiten, bis dass der Tod euch scheidet?«

»Ich will«, sage ich, bin froh, dass meine Stimme nicht versagt.

»Dann erkläre ich euch wieder zu Mann und Frau. Sie dürfen die Braut jetzt küssen.«

Und das muss er mir ganz sicher nicht zweimal sagen.

Ich umfasse ihr Gesicht, streiche über ihre Wangen, bevor ich meine Lippen auf ihre drücke. Und dann wünschte ich, dass wir allein wären …

»Ich bin so glücklich«, haucht sie, und ihre Augen werden feucht.

»Nicht so glücklich wie ich«, behaupte ich.

»Doch, ganz sicher.«

»Ganz sicher nicht. Hast du dich schon mal angesehen?« Ich greife nach ihrer Hand.

»Hast du dich schon mal angesehen?« Sie streicht mit der freien Hand über meine Smokingjacke. »Unter all den zerschlissenen Shirts vergesse ich manchmal, wie du herausgeputzt aussiehst.«

»Herausgeputzt? Das hört sich aber doch ein klein wenig unmännlich an.«

Sie lacht auf. »Wie würdest du es denn bezeichnen?«

»Gestylt.«

»Meinetwegen. Gestylt siehst du echt heiß aus, Ehemann.«

Ich grinse sie an. »Nur für dich.« Dann schaue ich zu Tara, die immer noch grinst. Was hat sie geplant? »Du weißt nicht zufällig, wieso Tara so aussieht, als wollte sie mir die Torte ins Gesicht klatschen?«

Bryce lacht auf. »Zufällig weiß ich es, und es hat nichts mit Torte zu tun.«

»Sondern?«

Sie stellt sich ein wenig auf die Zehenspitzen, bringt ihren Mund zu meinem Ohr. »Hab überlegt, dass ich jetzt vielleicht doch bereit für Bryce Walsh bin.«

Einen Moment bleibe ich stocksteif stehen, bin mir nicht sicher, ob ich richtig gehört habe. »Äh, was?«

Sie lächelt mich an. »Bryce Walsh ist mit Cian Walsh verheiratet. Wie hört sich das an?«

Ich schüttele kurz den Kopf, als wollte ich die Trance vertreiben. »Wie die beste Idee aller Zeiten.« Dann kneife ich die Augen zusammen. »Moment mal, aber das ist doch was Gutes. Wieso sieht Tara dann aus wie ihr dämonisches Selbst?«

»Sie freut sich vielleicht für dich.«

»Hm«, mache ich, weil ich das nicht für möglich halte. »Ich behalte sie wohl mal besser im Auge.«

Orla umarmt mich, dann Bryce. Meine Eltern kommen, Roan und Eoin, Tara klopft mir auf den Rücken, bevor sie Bryce umarmt. Und dann gehen wir langsam den Gang entlang, nehmen Glückwünsche entgegen.

Aber irgendwie … Sie lachen alle zu laut.

Klar, alle sollten auf einer Hochzeit fröhlich sein. Aber das ist kein Mit-mir-lachen … das ist ein …

Ich bleibe stehen, schaue Bryce an. »Hat Tara mir was auf den Rücken geklebt?«

Und dann sprudelt das Lachen aus ihr heraus.

Klar, hat sie das.

»Du kleines Biest«, murmele ich, ziehe sie in meine Arme, vergrabe mein Gesicht an ihrem Hals. »Ich dachte, wir sind ein Team.«

»Sind wir ja auch.« Sie grinst mich an. »Außer bei Streichen in der Familie. Da kämpft jeder für sich.«

»Und was steht auf meinem Rücken?«

»Mikropenis.«

Ich bring sie um … Aber nicht, bevor ich Bryce noch einmal geküsst habe …