Bonusszene Five of a kind
Maverick
Fünf Jahre später
Ein markerschütternder Schrei klingt durch das Schlafzimmer, und sorgt dafür, dass ich mich geradezu im Bett aufsetze. Erschrocken schaue ich zum Babyfon und sehe auf dem kleinen Monitor, dass Mae sich wild in ihrem Bettchen dreht. Ich stelle es schnell ab, damit Raelynn nicht aufwacht.
Ich schaue zu ihr, aber sie könnte auch einen Hurrikan durchschlafen.
Lächelnd eile ich in das Kinderzimmer, trete an das Gitter. »Hey, meine Kleine.«
Mit nassen Augen, offenem Mund und einem erstickten Schrei auf den Lippen streckt sie ihre kleinen Ärmchen nach mir aus. Ich nehme sie aus dem Bett, drücke sie an meine Brust, atme ihren Babyduft ein.
»Was ist passiert, meine Kleine? Hattest du einen Albtraum?« Ich drücke meine Lippen gegen ihr flauschiges Haar, bevor ich mich auf den Schaukelstuhl setze.
Ihre Schluchzer werden zu kleinen Glucksern, und ich muss unweigerlich lächeln. Es hat ein paar Jahre gedauert, bis Raelynn bereit war, Mutter zu werden, aber für mich gibt es nichts Schöneres, als Dad zu sein. Der Moment, an dem ich Mae zum ersten Mal im Arm gehalten habe, war noch besser als der, als ich zu ihrer Mutter am Altar Ja gesagt habe.
»Willst du denn noch mal schlafen?«, murmele ich, streiche über ihren Rücken, der in einem Orca-Strampler steckt, den ihr Tante Alex geschenkt hat.
Sie wackelt ein bisschen hin und her, ihre kleinen Fäuste gegen meine Haut gepresst. Ich spüre ihr Gesichtchen, das sich an mir reibt, bevor sie seufzt. Sanft streichele ich sie weiter, summe leise, um sie in den Schlaf zu wiegen. Was habe ich für ein Glück?
Ich wache auf, als Finger durch meine Haare streichen. Meine Hände sind immer noch schützend um das kleine Bündel gewunden, das auf meiner Brust schläft. Ich schaue auf, sehe in die warmen Augen meiner Frau.
»Guten Morgen«, sagt sie lächelnd. »Muss ich eifersüchtig sein, weil du die Nacht bei einer anderen Frau verbracht hast?«
Ich greife nach ihrer Hand, ziehe sie an meinen Mund, küsse sie. »Du, mein Liebling, hast nie Grund zur Eifersucht.«
Sie beugt sich vor, drückt ihre Lippen auf Maes Kopf. »Mir ihr teil ich gern.«
»Wie spät ist es?«
»Sechs.«
Ich stehe auf, lege Mae noch mal in ihr Bettchen, was sie auch weiterschlafend geschehen lässt, greife dann nach Raelynns Hand. »Dann lass uns noch ein bisschen kuscheln.«
Sie wirft einen Blick auf unsere Tochter, bevor sie mir folgt. Ich schlinge meine Arme um sie, drücke sie im Flur gegen die Wand. »Hast du gut geschlafen?«
Sie streicht über meine Wangen, dann meine Schultern und Brust. »Du weißt, das tu ich immer.«
Ich drücke meine Lippen auf ihre. »Beneidenswert.«
»Du hättest mich auch wecken können.«
»Wieso sollen wir beide wach sein?«
Sie kuschelt sich gegen mich, drückt ihr Gesicht gegen meine Schulter. »Ich hab dich gar nicht verdient.«
»Du meinst, ich hab dich nicht verdient.«
»Das auch.« Sie lacht, beißt mir spielerisch in die Haut.
Grinsend löse ich mich von ihr, ziehe sie in unser Schlafzimmer und werfe sie auf die Matratze. Ihr Nachthemd rutscht hoch, gibt den Blick auf ihre langen, schlanken Beine frei. Ich starre sie an, und sie grinst.
»Stehst du da nur rum?«
Und das muss sie mich ganz sicher nicht zweimal fragen …
Frisch geduscht komme ich die Treppe herunter, sehe Raelynn mit Baby in der Küche stehen, und die Kaffeemaschine füllen. Mein Herz schwillt vor lauter Liebe an, als ich meine zwei Lieblingsfrauen sehe. Was habe ich für ein Glück? Das frage ich mich wirklich.
»Hey«, sage ich, umarme sie beide.
»Daddy ist da«, gurrt Raelynn leise, und unsere Tochter schaut mich fasziniert an.
Ich persönlich finde, und da lasse ich mir auch nicht reinreden, dass sie intelligente Augen hat. Okay, vielleicht ist es ein wenig verfrüht, sich über so etwas Gedanken zu machen, aber ich sehe sie schon als Physikerin den Nobelpreis gewinnen. Meinetwegen auch Chemie oder Mathematik. Hauptsache, man kann einen Nobelpreis gewinnen.
Nur kein Druck, kleine Maus, denke ich.
»Was möchtest du zum Frühstück?«, frage ich, drücke meine Lippen auf ihre Wange, bevor ich an den Kühlschrank trete.
»Pancakes?«
Ich drehe mich lachend zu ihr um. »Du kannst doch nicht jeden Tag nur Pancakes essen.«
»Kann ich schon«, erwidert sie, schüttet mir eine Tasse Kaffee ein.
»Hängen sie dir immer noch nicht zum Hals heraus?«
»Das wird auch niemals geschehen«, sagt sie und deutet auf mich. »Nicht solche Blasphemie.«
Grinsend hole ich Eier und Milch heraus, gebe sie mit Mehl und ein wenig Zucker in eine Schüssel. »Dein Wunsch ist mir wie immer Befehl. Das weißt du doch.«
»Das ist auch gut so«, kommentiert sie grinsend, setzt sich an den Küchentisch. Sie küsst Mae, bevor sie wispert: »Hast du auch Hunger, meine Süße?«
Ich hatte jetzt schon monatelang Gelegenheit zuzusehen, wie sie unsere Tochter stillt, aber es ist jedes Mal faszinierend, was für ein Wunderwerk Frauen sind. Sie können nicht nur Kinder gebären, sondern sie auch vollständig ernähren. Wenn da bei Männern kein Neid aufkommt …
Ich backe die Pfannkuchen in Öl aus, schichte sie auf zwei Teller, kippe über ihren Stapel Ahornsirup, und garniere meinen mit Schokocreme. Dann setze ich mich zu ihr. Sie greift nach der Gabel.
»Danke«, sagt sie lächelnd.
Ich liebe diese ruhigen Momente am Morgen. Sie gehören nur uns. In weniger als einer Stunde breche ich zur Alaskan Lodge auf, und Raelynn wird mit Mae ebenfalls ins Büro fahren. Carl freut sich jedes Mal, wenn er seine kleine Nichte sieht. In den letzten fünf Jahren haben sie beide es geschafft, Brookner Construction zu einer florierenden Firma über die Grenzen von Whynot hinaus aufzubauen.
»Kommst du in die Lodge zum Mittagessen oder soll ich dir was vorbeibringen?« Ich trinke einen Schluck.
»Wenn du das schon so anbietest, würde es mir sehr entgegenkommen, wenn du vorbeikommst. Wir haben heute viel zu tun.«
»Alles klar. Wird gemacht.« Es ist von Vorteil, dass ihr Büro unweit der Lodge angesiedelt ist. So können wir gemeinsam fahren, aber uns auch zum Lunch sehen. Und seien wir ehrlich: Auch zum zweiten Frühstück, für Zwischenmahlzeiten und einfach so. Schließlich muss ich immer mal wieder nach meinen Mädels schauen. Nicht, dass sie nicht auf sich selbst aufpassen könnten, zumindest Raelynn, aber sie haben da so eine Anziehungskraft … Da bin ich einfach machtlos.
Lächelnd betrachte ich sie.
»Was?«, fragt sie leise.
»Nichts. Es ist einfach nur so perfekt.«
»Sie? Ich? Wir?«
»Ihr beide, aber auch … ja, wir zusammen.«
Ein Strahlen erhellt ihr Gesicht. »Ich liebe dich.«
Ich beuge mich über den Tisch, greife nach ihrer Hand. »Ich dich auch. Du bist mein größtes Glück. Ihr seid es.«
Ihr Blick wird so weich, dass ich schlucken muss. »Wir haben Glück«, sagt sie dann, bevor sie aufsteht, sich auf meinen Schoß setzt. »Der beste Tag meines Lebens war, als ich bei dir gekündigt hab.«
Ich lache auf, weil es mir jetzt so absurd vorkommt, dass ich uns beide eine so lange Zeit gequält habe. »Das sollte ich persönlich nehmen«, scherze ich.
»Solltest du.« Sie drückt ihre Lippen auf meine, bevor sie mir Mae reicht. »Sie muss noch ihr Bäuerchen machen. Ich mach mich fertig.«
Ich lege mir das Spucktuch über die Schultern, klopfe und streiche sanft über ihren Rücken. »Du bist mein Sonnenschein«, murmele ich, drücke meine Wange gegen ihren Kopf. Wieso riechen Babys nur so gut?
Und dann rülpst der Sonnenschein, und ich spüre, wie mir Milchbrei über die Schulter läuft. Da muss sich wohl noch mal jemand umziehen, bevor es zur Arbeit geht.
Es sind immer die schwierigen Momente des Tages, wenn ich ihnen Tschüss sagen muss. Ich sehe zu, wie Raelynn und Mae in dem Gebäude verschwinden, während ich einen Stich im Herzen fühle. Es wäre doch gar nicht so schlecht, wenn sie in der Lodge arbeiten würde. Wieso habe ich mich so dagegen gesträubt?
Seufzend fahre ich die wenigen Meter zum Parkplatz des Hotels, parke und trete in mein Familienunternehmen ein. Millie begrüßt mich lächelnd, dann runzelt sie die Stirn. »Ist das Babybrei an deiner Wange?«
Ich wische mir über diese. »Eher Babykotze«, murmele ich. »Danke.«
»Immer gern.« Sie lacht, während ich mich frage, wieso Raelynn mir nicht gesagt hat, dass ich so nicht aus dem Haus gehen kann.
Ich gehe in mein Büro, setze mich an den Schreibtisch, schaue mich um. Es ist viel in den letzten Jahren passiert, aber eines hat sich nicht geändert. Ich liebe diesen Job. Aber noch mehr liebe ich es, als ich einen Viertelstunde Zeit habe, und mich zu meinen Mädels stehlen kann.
Ein Glückspilz. Das bin ich. Aber wirklich.
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