Bonusszene Jace
5 Jahre später
Ich wache auf, als ich den leichten Lufthauch auf meiner Schulter spüre. »Hm«, mache ich verschlafen, bevor sich Gänsehaut auf meinem Rücken bildet, als Jace langsam meine Wirbelsäule entlangstreicht.
»Guten Morgen, Mystery-Girl«, flüstert er und drückt seine Lippen auf meine vom Schlaf warme Haut.
Ich lächele bei diesem Spitznamen. Mir war nie bewusst, dass er mir diesen gegeben hat. Ich schätze, dass passiert, wenn man so großartig ist, dass man jemandem nach einem One-Night-Stand noch jahrelang im Kopf rumspukt. »Ich hab Hunger.«
Jace lacht auf. »Du hast momentan immer Hunger.«
»Weil ich für drei esse.«
»Für zwei. Der Ultraschall hat gezeigt, es sind doch keine Zwillinge.«
»Ich hab aber Hunger für Drillinge.« Ich grinse ihn an.
Er küsst meine Wange, bevor er sich anschickt, das Bett zu verlassen. Es ist schon Jahre her, dass er an illegalen Kämpfen teilgenommen hat, aber er hat immer noch den Körper eines Fighters. Wenn die Babys – ich glaube nicht, dass da nur eins in meinem Bauch ist – nicht nach Futter verlangen würden, dann würde ich glatt ihn vernaschen.
Seine Tattoos heben sich stark von seiner goldenen Haut ab. Ich liebe nichts mehr, als mit der Zunge über all die Linien und Flächen zu fahren. Kein Stück seines Körpers ist unerkundet. Aber bei mir ist es genauso.
Anfangs war unser Liebesspiel durch Hitze und Leidenschaft gekennzeichnet, mit der Zeit wurde es ruhiger, und wir genießen die intimen Momente, in denen wir uns verbinden. Was nicht bedeutet, dass wir es nicht auch mal krachen lassen. Um ehrlich zu sein, ich glaube, dass die Nacht, in der wir die Babys gezeugt haben, eine Liebesschaukel in einem High-End-Sexclub involvierte.
»Auf was hast du Lust?«, fragt er, während er sich die Boxershorts anzieht. Er wirft einen Blick zu mir, bevor er grinst. »Hey, wenn du mir sagst, du willst Sex, dann bin ich sofort dabei.«
Mein Magen grummelt. »Ich würd so gern Ja sagen, aber die Babys …«
»Das Baby. Einzahl.«
»Mindestens vier.«
Er verdreht amüsiert die Augen. »Eier und Speck? Pancakes?«
»Beides.«
»Alles klar.« Er lehnt sich noch mal über die Matratze, küsst mich, streichelt die Kugel, die mein Bauch momentan ist. »Alles für meine Mädels.«
»Woher willst du wissen, dass es ein Mädchen ist?«, frage ich ihn zum wiederholten Mal.
Er zuckt mit den Schultern. »Ich hab’s im Gefühl. Das ist genau der Humor des Universums. Mich vor Sorge wahnsinnig werden lassen.«
Ich schüttele den Kopf. »Mom Jace.«
»Hey, das ist dein Job.«
Er drückt einen Kuss auf meinen Bauch, bevor er aus unserem Schlafzimmer marschiert.
Als wir zusammenzogen, habe ich meine mietpreisgebundene Wohnung aufgegeben, aber nicht den Stadtteil. Wir sind im Village geblieben. Gott sei Dank. Ich musste feststellen, dass ich ein ziemliches Gewohnheitstier bin. Eigentlich passt das so gar nicht zu meinem Selbstbild, aber es macht mich einfach glücklich, dass ich all meine liebsten Restaurants und Bars in direkter Nachbarschaft habe.
Meine Freundin Lila ist da ganz anders. Sie will immer neue Dinge ausprobieren. Neues Essen und neue Männer. Seit sie sich von dem Langweiler getrennt hat, ist sie nicht wieder sesshaft geworden. Aber das kann ich gut verstehen. Man sollte sich nicht mit weniger zufrieden geben, als man verdient. Und was haben wir verdient? Nur das Beste. So einfach ist das.
Ich rekele mich noch mal, bevor ich aus dem Bett steige, ins Bad eile. Das ist ein Nachteil der Schwangerschaft. Ich muss ständig auf Toilette. Wenn ich schon mal hier bin, kann ich mir auch direkt die Zähne putzen, um mir einen richtigen Guten-Morgen-Kuss von meinem Mann abzuholen. Ich hatte zwar immer gesagt, wir würden niemals heiraten, aber nun ja, ich dachte auch nicht, dass ich Mutter werden würde. Werden wollte.
Lächelnd streiche ich über meinen Bauch. Ja, wollte, stimmt. Für Jace stand es ziemlich früh fest, dass er gern Kinder haben wollte. Ich brauchte ein bisschen länger, aber jetzt freue ich mich auf meine Babys. Fünf Stück sind es mit Sicherheit, die sich in mir tummeln.
Ich ziehe eine Leggings und ein Oversize-Shirt an und folge dann dem Geruch in die Küche.
Jace steht am Herd, rührt die Eier. Ich trete hinter ihn, lehne meinen Kopf an ihn, umarme ihn. Weil ich so klein bin und er so groß, ist es immer ein klein wenig kompliziert zwischen uns. Aber mit den Jahren haben wir gelernt, dass es auch Vorteile hat, denn so kann er mich einfach durch die Gegend heben und platzieren, wo er mich haben will.
»Ich hätte dir auch Frühstück ans Bett gebracht«, murmelt er, während ich über seinen Bauch streichele.
»Ich kann nicht mehr liegen. Das Sextett in mir drückt auf alle wichtigen Organe.«
»Ist dir bewusst, dass es immer mehr und mehr Babys werden?«
»Quatsch. Ich hab schon immer behauptet, dass es sechs sind.« Ich beiße ihm spielerisch in die Schulter. Na gut, unterste Stelle der Schulter.
»Ich hab dir Tee gekocht.«
»Wieso hasst du mich nochmal?«
Lachend dreht er sich um. »Der Arzt hat gesagt, dass Kaffee keine gute Idee ist.«
»Man wird offensichtlich nur Gynäkologe, wenn man Frauen nicht leiden kann und sie quälen will«, murmele ich vor mich hin, bevor ich mich auf die Zehenspitzen stelle, um ihn zu küssen.
Als er mir entgegenkommt, umfasse ich sein Gesicht, lächele ihn an. Ich war überzeugte Single-Frau, aber ich bin so unglaublich froh, dass ich meine Prinzipien über Bord geworfen habe, als ich ihn kennengelernt habe.
Der Kuss ist lang und tief, und wir lösen uns nur voneinander, als ein angebrannter Geruch durch die Küche zieht.
»Oh, Shit«, murmelt Jace, dreht sich wieder zum Herd um. »Die können weg.«
Ich nehme mir eine Tasse und die Kanne Tee, die er mir gemacht hat, setze mich an die Frühstücksbar, schaue ihm zu, wie er noch mal neu anfängt. Hach. Ganz ehrlich: Ich bin einfach nur glücklich, dass er mein Mann ist.
Nach einem ausgedehnten Frühstück gehen wir ein wenig durch unseren Stadtteil spazieren. Es ist Samstag. Und das ist auch eine Neuerung. Wir haben in unseren jeweiligen Kanzleien durchgesetzt, dass wir die Wochenenden freihaben. Ich meine, man kann auch nur eine gewisse Zeit lang hundert Stunden die Woche arbeiten, ohne durchzudrehen oder umzukippen. Manchmal ist man nur zu blöd, um das zu kapieren. Menschen.
Ich liebe es, seine Hand zu halten, liebe es, wie er immer an der Seite zur Straße läuft und mir jede Tür aufhält. Wenn mir das mal jemand gesagt hätte, dem hätte ich ganz sicher niemals geglaubt. Niemals.
Aber es ist schön, jemanden zu haben, der sich um einen kümmert und sorgt. Genauso, wie ich es ja auch tue. Weil ich ihn liebe.
Wir treten in ein Eiscafé, bestellen die größten Eisbecher, die sie haben. Ich, weil ich für acht esse, und er, weil er weiß, dass ich wahrscheinlich noch Lust auf mehr Eis habe, wenn ich mit meinem fertig bin. Es sind die kleinen Dinge, nicht wahr?
Die kleinen Dinge, die zeigen, dass man jemandem wirklich wichtig ist. Die Taten, nicht die Worte. Ja, die Worte sind auch toll. Wer hört nicht gerne, dass man geliebt wird? Aber viel wichtiger ist es doch, dass er es zeigt. Dass man sich auch ganz ohne Worte wertgeschätzt fühlt. Und das schafft er. Mit allem, was er so tut.
»Worauf hast du noch Lust?«, fragt er mich und leckt seinen Löffel ab. Und sofort regt sich da was in mir. Und dieses Mal sind es keine Schwangerschaftsblähungen.
Meine Augen müssen ein wenig glasig werden, mein Gesicht sehnsüchtig, denn er grinst auf diese unnachahmliche Weise, die er hat. Schmutzig, frech, sexy. Gott, dieser Mann … »Das ist natürlich auch eine Option«, sagt er leise mit dieser tiefen Stimme, die nur für mich in den intimsten Momenten reserviert ist.
»Na, dann …«, sage ich und erhebe mich.
»Hier seid ihr«, ruft eine Frau, bevor sie mich umarmt.
Ich setze mich wieder, lächele meine Freundin Mara an. »Ich wusste nicht, dass du mich gesucht hast.«
»Nicht direkt gesucht, aber ich dachte mir, dass ihr durchs Village streift.« Sie sieht Jaces halbvollen Eisbecher. »Isst du das noch?«
Er sieht erst zu mir, aber als ich den Kopf schüttele, schiebt er ihr die Schale zu. »Bedien dich.«
Sie nimmt einen Löffel, schließt die Augen. Als Künstlerin tut sie alles mit Leidenschaft. Malen, lieben, essen … Es macht wirklich Spaß, ihr zuzusehen, wie sie aufblüht. Ich kenne sie jetzt schon eine ganze Weile, aber so glücklich war sie noch nie. Und das wiederum macht mich froh.
Ich habe nicht viele Menschen in meinem Leben, oder sagen wir, in meinem inneren Kreis. Deswegen sind mir die, die da sind, umso wichtiger. Ich blicke zu Jace, sehe die Freude in seinem Gesicht. Als ich zu Mara schaue, strahlt sie plötzlich. Ich muss mich nicht mal umdrehen, um zu wissen, wer da zur Tür reinkommt.
Es war ein wirklich toller Tag, aber der beste Teil ist, als wir abends gemeinsam im Bett liegen und er mich festhält. Ganz ehrlich: Das hier sollte besser für immer sein, denn alles andere würde mich zerstören. Aber so wie er mich ansieht, weiß ich, dass es das auch ist.
Jace Monroe. Wer hätte das je gedacht?Aber die unverhofften Dinge sind doch die besten. Und ein gemeinsames Leben mit ihm und den acht Babys in mir, ist genau das. Das Beste, das mir je passieren konnte.
Wenn du wissen willst, für wen Mara so strahlt, dann lies Teil 2 der Wild Boys. MIKE.