Bonusszene Wieso denn bloß er?

Mark

Fünf Jahre später

Ich drücke ihre Hand. Es tut mir sehr leid für sie, weil meine Finger flutschig sind. Aber es wäre wohl noch schlimmer, wenn sie ihre Wange auf meine Brust pressen würde. Dann würde sie von meinem galoppierenden Herzen durchgeschüttelt.

»Es ist mir ein großes Vergnügen, in diesem Jahr die Nominierten für die männliche Hauptrollen präsentieren zu dürfen«, erklärt Katherine McDonald, strahlt von der Bühne. »Denn ich hatte die Ehre, mit allen fünf bereits gedreht zu haben. Und ich kann nur sagen, es war mit allen ganz wunderbar.« Sie blickt zu mir – zumindest denke ich das. Vielleicht schaut sie aber auch zu dem anderen Nominierten hinter mir … Schielt sie? Ist mir bisher noch gar nicht so recht aufgefallen.

Sie hebt den Umschlag an. »Bevor ich den Sieger verkünde, hier sind die diesjährigen Nominierten …« Sie nennt vier Schauspieler und ihre Filme, und sagt dann: »Mark Jackson für Wonderland

Callie drückt meine Finger, und irgendwie beruhigt mich ihre Aufregung. Dies hier mag der wichtigste Filmpreis der Welt sein, aber nichts ist so wichtig wie sie.

Ich schaue zu ihr, lächele sie an. Meine Callie.

»Ich liebe dich«, sagt sie leise, und ich frage mich, wie man so verdammt viel Glück haben kann. Ich hatte angenommen, dass ich mal alt und allein sterben werde, aber das Schicksal hat mir den ganz großen Jackpot geschenkt. Verdammt.

»Und der Gewinner ist …«

Aber das ist mir eigentlich ganz egal. Ich habe nur Augen für die Frau, die zu mir gehört. Wenn ich sie mir über die Schulter werfe und sie raustrage … fällt das dann auf? Bestimmt nicht, oder? Nein, das müsste gehen …

Auf einmal wird mir auf die Schulter geklopft, Callie fällt mir um den Hals.

Perplex weiß ich einen Moment nicht, was passiert ist. Ich habe gewonnen, wird mir dann klar.

Auch wenn ich lieber fliehen würde – mit ihr an meiner Seite –, weiß ich doch, wie viel dieser Preis für das ganze Team bedeutet. Also stehe ich auf, umarme Callie so fest, wie ich nur kann, bevor ich die Glückwünsche von meinen Co-Stars und dem Regisseur entgegen nehme, und dann auf die Bühne … nun ja, schwanke. Meine Beine sind ein wenig wackelig, puh.

Ich umarme Katherine, flüstere: »Mit mir war es doch aber am wunderbarsten, oder?«

Sie lacht. »Klar.«

Dann nehme ich die goldene Trophäe entgegen, trete ans Rednerpult. Ich hatte wirklich nicht damit gerechnet, weswegen ich keine Rede vorbereitet habe. Hätte ich das mal getan … Mist. Jetzt werde ich alle vergessen.

Ich schaue zu Callie, der Liebe meines Lebens, und ich spüre diese Wärme in mir aufsteigen, die mich immer erfasst, wenn ich bei ihr bin. Sie ist mein Zuhause. Meine Heimat. Mein sicherer Hafen.

»So einen Preis gewinnt nie nur eine Person. Nein, es ist ein Gemeinschaftswerk. Deswegen ist dieser Preis für alle, die mit mir an diesem Film gearbeitet haben.« Ich zähle ein paar Namen auf, hoffe, dass ich niemanden vor den Kopf stoße, bevor ich meiner Familie danke, meinem besten Freund, Daisy, die ich immer noch im Herzen trage.

Und dann werden meine Augen feucht. »Callie. Ich nenne dich als letztes. Nicht, weil du für mich am Ende kommst, sondern weil für mich alle Wege zu dir führen. Du bist die große Liebe meines Lebens, mein ein und alles. Der Zufall, der mich in deinen Buchladen geführt hat, ist mein allerliebster. Ich liebe dich.«

Ich hebe die Trophäe, bade einen Augenblick im Applaus, bevor ich von der Bühne eile, um Callie wieder in die Arme zu schließen. Ihre lieben Augen, die wie immer von der schwarzen Brille umrahmt werden, sind feucht.

»Du solltest mich doch nicht zum Weinen bringen«, erklärt sie, als sie ihre Arme um meinen Hals schlingt.

»Wenn es denn nun mal stimmt …«

Wir setzen uns wieder hin, ihre Hand in meiner, wie es sich gehört. Ich wünschte, wir wären in Sweetwater, nicht in L.A. Ich wünschte, wir würden heute in unserem Bett schlafen, mit mir in ihr. Okay, letzteres wird auch im Hotelzimmer stattfinden, aber zu Hause ist es doch am besten.

Seit ich nach Sweetwater gezogen bin, könnte ich nur noch strahlen. Leben mit Callie ist so. Ein einziger Sonnenschein.

Wir sind nicht verheiratet, haben auch keine Kinder. Wir haben drüber gesprochen, aber für uns beide fühlt es sich so richtig an – sehr zum Missfallen von Miss Albertina, die sich erst beruhigen ließ, als wir ein neues Haus etwas außerhalb der Kleinstadt gekauft haben, dass ich auf Callie überschrieben habe. Schließlich weiß ich, dass Miss Albertina immer nur aus Sorge um ihre Tochter handelt. Wenn man sie zu nehmen weiß, ist sie eine ziemlich coole Person – allerdings verstehe ich, wieso die Kids in Sweetwater den Besuch ihres Ladens als Mutprobe sehen …

»Ich bin so stolz auf dich«, sagt Callie leise, strahlt mich an.

Und ehrlich … mehr brauche ich gar nicht. Nur sie und dieses Strahlen in den Augen.

»Danke, Sweetheart.«

Wie lange kann so eine Show dauern? Das frage ich mich nicht nur einmal. Sobald der letzte Vorhang fällt, sozusagen, versuche ich uns aus der Menschenmasse zu befreien. Es gibt noch jede Menge Partys, aber Callie und ich haben schon vorab beschlossen, dass wir die schwänzen werden. Damit wir nicht von Reportern aufgehalten werden, bringe ich sie zum Nebeneingang. Früher bin ich schon mehrfach durch diesen verschwunden, daher kenne ich mich aus.

Ein Mitgrund ist, dass es immer auf die Reporter ankommt, ob sie Callie anständig behandeln, oder ob meine Pressesprecherin Chiara mir am nächsten Tag ein paar Links schickt, in denen über sie gelästert wird. In den letzten Jahren ist meine Liste, mit Medien und Journalisten, mit denen ich nie wieder sprechen werde, leider lang geworden. Es tut mir leid für Callie. Allerdings weiß ich, dass sie sich niemals selbst googelt. Mich auch nicht. Manchmal stört mich das. Wer möchte denn nicht vor der eigenen Partnerin gut dastehen?

Aber sie liebt mich auch so.

Und mir ist es lieber, dass sie die Gemeinheiten nicht liest. Sie hat schon genug Selbstzweifel zu besiegen. Da braucht sie nicht noch Material von außen.

Da ihre Freundinnen die besten sind, zeigen sie ihr auch nichts. Nicht so wie damals, als das Missverständnis uns beinahe entzweit hat. Gott sei Dank ist das Geschichte.

Statt der Limo, mit der wir gekommen sind, wartet der Chauffeur in einem unauffälligen Auto, das uns ins Hotel bringen wird. Nicht hier in L.A., sondern ein wenig außerhalb. Sodass wir dem Trubel entkommen können.

Ich halte ihr die Tür auf, bevor ich auf die andere Seite eile, und ebenfalls hinten einsteige.

Callie hält mir ihr Handy hin. »Deine Familie dreht schon durch.«

Ich scrolle durch Daisy’s Fanclub – keiner von uns hat es über sich gebracht, den Namen zu ändern –, freue mich über ihren Jubel.

»Du solltest sie anrufen.«

»Im Hotel.«

»Und Miss Albertina will dir auch gratulieren. Nicht, dass sie wieder denkt, dass du sie als allerletztes informierst.«

Ich lache auf. Miss Albertina weiß, dass ich ihre Tochter über alles liebe, aber sie hält mich auf Trab. Immer, wenn ich denke, dass ich mir ihrer Zuneigung sicher sein kann, gibt sie mir das Gefühl, dass ich mir wieder einen riesigen Fauxpas geleistet habe. Und seien wir mal ehrlich, das habe ich wahrscheinlich auch. Ich bin eben auch nur ein Mensch, auch wenn manchmal in der Presse steht, dass ich beinah ein Gott bin … Okay, fein, es steht nicht in der Presse, sondern auf Reddit …

Ich bedanke mich beim Chauffeur, Callie und ich huschen ins Hotel – hätten wir mal Cappys und Sonnenbrillen mit. Aber auch so schaffen wir es nach oben.

Während Callie ins Bad geht, rufe ich Mom an. »Hattie, wie geht das denn hier mit dem Video?«

»Du musst einfach nur auf das Kamerasymbol drücken«, sage ich amüsiert.

»Hattie!«

Ich verdrehe die Augen, und dann grinst mich meine Schwester vom Display an. »Sei froh, dass Mom das nicht gesehen hat«, spottet sie.

»Was gesehen?«, fragt Mom, nimmt das Handy. »Ach, mein Junge. Ich bin so stolz auf dich.«

»Danke, Mom.« Ich schlucke. Es mag nicht immer so wirken, weil ich nicht so viel Kontakt zu ihnen habe – wobei sie ziemlich häufig bei Callie in Sweetwater sind, meist, wenn ich gerade irgendwo drehe –, aber zu wissen, dass meine verrückte Familie mich liebt und stolz auf mich ist, ist das zweitbeste, was mir passiert ist.

Das beste kommt gerade im Bademantel aus dem Badezimmer, und schlingt dann ihre Arme um mich. »Habt ihr gesehen? Er hat gewonnen!« Und die Freude in ihrer Stimme lässt in mir den Wunsch aufsteigen, dieses Gespräch schnell zu beenden.

»Ihr saht beide so toll aus«, erklärt Mom. »Ganz besonders du, Callie. Aber du bist ja immer wunderschön.«

Ich spüre, wie sie sich einen Moment versteift. Obwohl ich ihr täglich Komplimente mache, kann sie die alten Zweifel nicht immer ablegen.

Dann lächelt sie, was ich sogar in dem kleinen Bild auf dem Display sehen kann. »Danke, Miss Margaret.«

Und wie immer bringt das meine Familie zum Lachen. Callie wird es sich nie abgewöhnen, meine Mom so anzusprechen.

»Mein kleiner Bruder ist ein Star!«, quatscht Lea los.

»Ich will dich ja nicht korrigieren, aber ich bin schon lange ein Star.«

»Aber jetzt bist du wie Meryl Streep«, entgegnet sie.

Ich grinse. »Lass sie das mal nicht hören.«

»Du kennst sie doch nicht etwa?«, fragt sie ungläubig.

»Hollywood ist klein«, entgegne ich.

Callie sieht mich an. »Du hast sie mir nie vorgestellt!«

»Es ist Meryl.«

»Ja, eben.«

»Fein, ich stell euch alle vor. Und dann denkt sie, dass ich ein absoluter Trottel bin.«

»Bist du ja auch«, meint Hattie gnadenlos.

»Ihr seid so gemein«, entgegne ich grinsend. Und weil ich sie gerade vermisse: »Hey, kommt doch bald wieder nach Sweetwater.«

Und sobald ich es gesagt habe, bereue ich es auch schon wieder …

»Tun wir ja. Nächste Woche.« Lea grinst in die Kamera.

»Wieso denke ich, dass ihr immer nur dann kommt, wenn ich nicht da bin?«

»Mist, er hat uns erwischt«, entgegnet Hattie.

»Callie!«

Meine Liebste lacht. »Ich freu mich immer über ihren Besuch.«

»Du sollst auf meiner Seite sein.«

»Bin ich doch …« Aber ich sehe die komischen Zeichen, die sie sich geben. Unmöglich.

»So, wir müssen jetzt Schluss machen.«

»Wieso?«, fragt Mom. »Das war viel zu kurz.«

»Ja, aber der Empfang ist schlecht.«

»Ihr habt WLAN im Hotel.«

»Aber das Hotel … das fährt durch einen Tunnel«, zitiere ich die Gilmore Girls, die ich Dank Callie auswendig kann.

Callie lacht auf, während ich das Gespräch beende, und sie dann auf meinen Schoß ziehe.

»Ms. Lange.«

»Mr. Jackson.« Sie schlingt ihre Arme um meinen Hals.

»Ich hab das Gefühl, du brauchst noch ein paar Lektionen …«

Und dann sehe ich das Feuer in ihren Augen. Game on.