Bonuszene Farlan

Farlan

Ich trage meinen rot-grünen Kilt, streiche nervös über den Stoff. Bram legt seine Hand auf meine Schulter. »Ganz ruhig, Mann.«

»Sagt sich so leicht«, murmele ich.

Es ist ein Déjà-vu. Vor fünf Jahren standen wir schon mal hier. Nicht genau hier, denn das Drumtochty Castle ist immer noch auf meiner persönlichen Shitlist. Aber in dieser Situation.

Ich, wartend auf meine Braut.

Bram als mein Trauzeuge.

Nur die Braut ist eine andere. Eine, die hoffentlich kommt.

Mein Herz klopft viel zu schnell. Immer wieder sage ich mir, dass Kenna nicht Caitlin ist, dass wir eine ganz andere Beziehung zueinander haben. Sie wird kommen. Ich vertraue ihr hundertprozentig. Niemals würde sie mir wehtun. Niemals.

Diese Gedanken sorgen dafür, dass ich ruhiger werde, weil ich es einfach weiß. Es ist Kenna. Es gibt nichts zu befürchten. Gar nichts.

Mein Atem wird ein wenig ruhiger, der Schweiß auf der Stirn trocknet. Ich kann es kaum erwarten, sie zu sehen. Dabei habe ich sie noch vor ein paar Stunden gesehen. Nicht nur gesehen. Ich hatte sie in meinen Armen, habe sie geküsst, berührt, war in ihr. Kenna meinte, so muss man seinen Hochzeitstag starten. Wenn es um Liebe geht, muss man auch mit dem lieben beginnen.

Ich schaue zu ihrer Mutter, die zwischen Arran und Ailsa sitzt, die sich angeboten hatte, sich um sie zu kümmern. Una schenkt mir ein Lächeln. Noch ist sie hier. Zweimal haben wir die Zeremonie schon verschoben, weil Kenna unbedingt ihre Mum dabeihaben wollte. Also die Mum, die sich daran erinnert, dass sie eine Tochter hat und dass diese der absolute Wahnsinn ist.

Und heute hat es geklappt. Die Momente, in denen sie noch klar ist, werden weniger und weniger, deswegen ist dieser hier umso bedeutender.

Ich will mich gerade zu Bram drehen, um noch was zu sagen, aber da erklingt die Musik. Mein Herz. Ich lege die Hand auf meine Brust, als wollte ich es vom Rausspringen abhalten.

Bevor ich es noch richtig realisiere, tritt Kenna in den Mittelgang. Puh. Obwohl ich ihr vertraue wie niemandem sonst, war da doch diese leichte Panik. Nicht wegen ihr, einfach wegen dem, was in der Vergangenheit passiert ist.

Aber jetzt ist sie da.

Und sie sieht einfach umwerfend aus.

Tränen treten mir in die Augen, als ich ihr strahlendes Lächeln sehe. Vielleicht war irgendwo in meinem Hinterkopf doch noch die Idee vorhanden, dass keine Frau mich heiraten will, dass ich diesen Moment nie erlebe.

Aber doch. Sie ist da. Und nicht nur irgendeine, sondern meine absolute Traumfrau. Meine beste Freundin, die Liebe meines Lebens.

Mit jedem Schritt, den sie auf mich zukommt, wird sie schneller und schneller, als könnte sie es nicht erwarten, bei mir zu sein, dieses gemeinsame Leben mit mir zu teilen. Anstatt anzuhalten, wirft sie sich in meine Arme. Und als ich sie umfasse, mein Gesicht in ihren Haaren verberge, sie einatme, denke ich, wie kann man nur so glücklich sein?

»Ich wollte keine Sekunde mehr vergeuden«, flüstert sie, spielt mit den Haaren in meinem Nacken.

»Ich hätte es auch keine mehr ohne dich ausgehalten.«

»Das trifft sich ja gut.«

Sie löst sich, lächelt mich an, und ich muss sie einfach küssen.

Der Standesbeamte räuspert sich. »Das kommt eigentlich erst später.«

Unsere Gäste lachen auf. Es sind nicht viele da, nur die, die uns wirklich am Herzen liegen. Alfie natürlich, meine Eltern und Schwestern. Ihre Mutter. Unsere Freunde. Baigh. Hätte ich auch nie gedacht, dass er mal bei meiner Hochzeit sein würde.

Statt einer großen Affäre, ist es eine kleine Zeremonie. In Edinburgh, damit ihre Mum dabei sein kann. Und weil alle wissen, wie wichtig es uns beiden ist, dass Una dabei ist, haben sie sich mehrere Samstage freigehalten, um dann vor zwei Stunden die Nachricht zu bekommen, dass es losgeht. Und sie sind alle da.

Die Feier wird heute nicht stattfinden, das wäre mit den mehrfachen Terminen nicht gegangen. Wir sind schon froh, dass der Standesbeamte so verständnisvoll war und das ermöglicht hat.

Ich fasse nach ihrer Hand, streiche mit dem Daumen über ihre Finger. Sie sieht zu mir auf, so wunderschön, dass ich schlucken muss. »Du bist zauberhaft.«

Ihre Augen schwimmen in Tränen, als sie sich an mich lehnt.

Der Standesbeamte sieht uns beide an. »Jedes Jahr heiraten tausende Menschen, fünfundzwanzigtausend allein in Schottland, unzählige davon in unserer schönen Stadt. Aber manchmal kommt ein Paar ins Standesamt, bei dem man spürt, das hier … das ist was Besonderes. Eine besondere Art der Verbindung, voller Liebe und Freundschaft und Respekt. Die Chemie zwischen ihnen so unglaublich, dass man weiß, dass hier ist für immer.« Er lächelt. »Und so ein Paar steht heute hier vor uns. Es war kein leichter Weg. Nicht das erste Stück, das sie allein gegangen sind, und auch nicht die ersten Meter, die sie zusammen gingen. Aber als sie sich füreinander entschieden haben, wurde es einfach, weil es so sein sollte.«

Ich drücke Kennas Finger, weil es genauso ist. Wir haben den Anfang vielleicht vermasselt – wobei man nicht weiß, ob wir nicht genau den Anfang brauchten, um überhaupt zueinander zu finden –, aber seit dem dritten Kapitel spätestens kann uns nichts mehr trennen.

»Und daher freue ich mich heute über die Ehre, diese beiden in den Hafen der Ehe zu begleiten.« Da er uns quasi dazwischengeschoben hat, ist es nur eine kurze Zeremonie, aber das reicht uns. Schließlich ist das Wichtigste, dass sie Ja sagt und wir dann unser Leben fortführen können.

»Wollen Sie, Kenna Wallace, den hier anwesenden Farlan Horatio Roy«, Kenna grinst, wie jedes Mal, wenn sie meinen zweiten Namen hört, »zu Ihrem Ehemann nehmen und ihn lieben und ehren, bis das der Tod Sie scheidet?«

»Ich will.«

»Und wollen Sie, Farlan Horatio Roy«, wieder dieses Grinsen, »die hier anwesende Kenna Wallace zu Ihrer Ehefrau nehmen und sie lieben und ehren, bis das der Tod Sie scheidet?«

»Ich will.«

»Dann habe ich das große Vergnügen, Sie Kraft meines Amtes zu Ehemann und Ehefrau zu erklären. Und jetzt dürfen Sie die Braut küssen.«

Ich grinse, bevor ich Kennas Gesicht in beide Hände nehme, ihr mit den Daumen über die Wangen streiche und dann sanft meine Lippen auf ihre drücke. Und obwohl ich sie schon so viele Male geküsst habe, ist es jetzt anders. Nicht viel, aber so, als wäre es jetzt in Zement gegossen. Was eigentlich albern ist, schließlich wusste ich vorher schon, dass das hier für immer ist.

Kenna Roy. Das ist der Name, den sie unter die Urkunde setzt.

Vielleicht ist es irgendein Männerding. Dass man sich ganz besonders großartig vorkommt, wenn man einer Frau seinen Namen verpassen kann. Deswegen fühlt es sich anders an. Weil sie jetzt mir gehört. Na ja, in meinen Träumen vielleicht. Wenn Kenna wüsste, was ich gerade denke, würde sie den Vertrag sofort wieder zerreißen.

Als alle unterschrieben haben, küsse ich sie noch einmal, und freue mich über den Jubel unserer Familie und Freunde.

Ich kann sehen, ganz besonders bei meiner Familie, dass sie uns sofort gratulieren wollen, aber wir gehen zuerst zu Una. Sie hat Tränen in den Augen, als sie ihre Tochter in den Arm nimmt. »Meine Kenna«, flüstert sie leise.

Als ich sie umarme, sagt sie mir: »Ich hätte mir keinen besseren Schwiegersohn wünschen können.«

»Und ich mir keine bessere Schwiegermutter.«

»Pass auf meine Kleine auf.«

»Immer.«

Sie nickt langsam, sieht sich um, als würde sie nichts erkennen. Ich gebe Ailsa und Arran ein Zeichen. Wenn Una vergisst, dann bekommt sie leicht Panik, und mit so vielen fremden Menschen sollten wir kein Risiko eingehen. Unsere Freunde gratulieren uns, bevor Ailsa sich sanft bei Una einhakt. »Kommen Sie, Mrs. Wallace.«

»Wohin gehen wir?«

»Nach Hause.«

Una lächelt. »Das ist gut.«

Ich greife nach Kennas Hand, drücke sie. Sie sieht mich an, mit einer Mischung aus Freude und Leid.

»Alles gut, Babe?«

»Ich bin so froh, dass sie das miterlebt hat. Aber es bricht mir immer wieder das Herz.«

Ich streiche ihr über die Wange. »Freuen wir uns über die guten Tage, die wir noch mit ihr haben. Und seien wir dankbar, dass nur wir unter den schlechten leiden und sie nicht.«

Sie nickt. »Das stimmt. Ich könnte es nicht ertragen, wenn es ihr schlecht gehen würde.«

Ich küsse sie, streichele noch einmal ihr Gesicht. »Bereit, alle anderen zu umarmen?«

»Bereit.«

Ich bemühe mich, in ihrer Nähe zu bleiben, aber ab und an werden wir in verschiedene Richtungen gezerrt, und mir bleibt nichts anderes übrig, als immer wieder zu ihr zu schauen. Sie ist einfach eine Augenweide. Immer, aber ganz besonders auch in ihrem Hochzeitskleid. Es geht nur bis zu den Knien, es ist schulterfrei, um die Taille hat sie einen Gürtel in …

Wow.

Um die Taille hat sie einen Gürtel im Roy-Tartan.

Sprachlos schaue ich zu ihr, habe das Gefühl, mein Herz würde kurz aussetzen. Sie konnte nicht wissen, wie viel mir das bedeuten würde.

»Alles okay?«, fragt mich Becca.

Ich zeige auf Kenna. »Sie trägt unseren Tartan.«

Mum nickt. »Ja, klar. Sie hat mich gefragt, ob ich etwas für ihre Taille hab.«

Ich starre sie an. »Es ist also nicht nur einfach irgendwas?«

Sie lächelt. »Als würde deine Frau das machen. Nein, es ist ihr Altes und Geliehenes.«

Alfie nickt. »Und dann hab ich ihr das blaue Strumpfband geschenkt.«

Becca grinst. »Da ist er sprachlos.«

»Und was ist ihr Neues?«, frage ich krächzend.

Dad klopft mir auf den Rücken. »Das bist wohl du.«

»Fuck.«

»Junge«, rügt mich Alfie.

»Sorry, Alfie, aber wenn du gerade erfahren würdest, dass deine Frau noch viel perfekter als perfekt ist, würdest du auch nichts anderes sagen.«

Er lächelt. »Na, dann geh zu ihr und sag ihr das. Frauen hören es gern.«

Und das tue ich auch. »Sorry, ich muss meine Frau mal entführen«, sage ich zu Maddie und Baigh. Meine Frau. So werde ich sie jetzt immer nennen. Nie wieder bei ihrem Namen.

Kenna sieht mich an. Ich schlinge meine Arme um sie.

»Danke, danke, danke.«

»Ja, echt großzügig von mir, dich zu heiraten«, scherzt sie.

»Dafür, dass du meine Familie einbezogen hast. Dafür, dass du meinen Tartan trägst, dafür dass du du bist.«

»Das ist meine leichteste Übung.«

»Ich liebe dich. Sag ich dir das oft genug?« Ich schaue in ihre Augen, sehe wie ihr Gesicht weich wird.

»Die Skala ist nach oben offen, aber ich fühle mich in jeder Sekunde des Tages von dir geliebt.«

»Gut. Wenn nicht, dann …«

»Glaub mir, Mann, der mein Herz in Händen hält, dann wüsstest du es. Maddie würde dir die Eier abschneiden.« Sie grinst mich auf diese teuflische Art an, die ich so liebe.

»Willst du noch deine Hochzeitsnacht erleben?« Sie nickt. »Dann sprich nicht über Maddie und meine Eier in einem Satz, sonst bekommen sie solche Angst, dass sie die nächsten paar Tage nicht mehr herauskommen.«

Sie hebt die Hände. »Verstanden.« Und dann sieht sie mich auf eine Weise an, die mich vergessen lässt, dass wir von Menschen umgeben sind.

Ich umfasse ihr Gesicht mit beiden Händen. »Ich bin der glücklichste Mensch auf dieser Erde.«

»Vergiss das nicht.«

Und dann küsst sie mich. Meine Frau, Kenna Roy, Mrs. Farlan Horatio Roy … Wobei ich das lieber niemals laut sage …

Womit habe ich das verliebt? Dieses absolut blendende Glück?

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