Love the Lonely – Verloren

damals

Hoffentlich klappt die Überraschung, denke ich, als ich mit meiner Nichte auf dem Arm zum Eingang der Kapelle laufe. Sind wir zu spät? Ich würde es hassen, wenn wir irgendwas verpassen würden.

Und überhaupt: Wieso wurden wir eigentlich ausgeschlossen? Da sollte ich mal ein ernstes Wort mit meinem Bruder reden. Erst jahrelang verschwinden und dann darf ich nicht mal zur Hochzeit. So geht das nicht. Deswegen habe ich den süßesten Hochzeitscrasher dabei, den man sich vorstellen kann, um die Wucht ein wenig zu mildern.

»Gleich sind wir da, Haze«, flüstere ich ihr zu, was sie zum Glucksen bringt, biege um die Ecke, lege die Hand auf die Klinke und drücke sie herunter.

Hunter steht am Altar und Mac ist auf halbem Wege zu ihm. Ich grinse und sehe in das überraschte Gesicht meines Bruders. Er hat doch nicht ernsthaft geglaubt, dass ich nicht bei diesem einzigartigen Ereignis dabei sein will? Hunter hat so viel verpasst in den letzten Jahren. Aber ich auch. Ich weiß kaum noch etwas von meinem Bruder. Wer ist er jetzt? Was sind die Dinge, die ihm jetzt wichtig sind? Wie reagiert er auf verschiedene Situationen? Mag er immer noch Burger und Bier?

»Mommy! Guck Kleid!«, ruft Hazel, meine Nichte, die ich auf dem Arm habe.

Ich stelle sie auf den Boden, gebe ihr einen leichten Stupser, damit sie zu ihrer Mom läuft. Sie sieht atemberaubend aus. Das schlichte weiße Kleid passt ganz genau zu ihr. Mac ist nicht die Art Frau, die die neuste Kleidung trägt oder der Klimbim wichtig ist. Im Gegenteil. Sie mag bodenständige Dinge. Sonnenuntergänge. Ein Bierchen am Strand. Pizza mit den Fingern essen. So was eben.

Ich gehe auf Hunter zu, stelle mich neben ihn, wie es sich für einen Trauzeugen gehört. Er legt mir eine Hand auf die Schulter, schaut mich voller Dankbarkeit an. Er muss Furchtbares erlebt haben. Als Rettungssanitäter habe ich auch schon so einiges gesehen, aber als Soldat in Afghanistan … Das ist ein ganz anderes Pflaster.

Mac geht langsam mit ihrer Tochter an der Hand auf uns zu, küsst ihren Bräutigam, während ich Hazel wieder auf den Arm nehme. Weil sie ein kleiner Wirbelwind ist, lege ich ihr den Finger auf die Lippen. Sie nickt so ernsthaft, wie ein zweijähriges Kind es kann.

Eine Hochzeit in Las Vegas können sich auch nur die beiden ausdenken. Nur noch Elvis würde fehlen.

»Wir haben uns heute hier versammelt, um diese Frau und diesen Mann in den heiligen Bund der Ehe zu begleiten.«

Sie sehen beide so glücklich aus. Macs Augen schwimmen in Freudentränen, aber auch Hunt ist nicht weit davon entfernt, zu weinen. Der toughe Marine flennt, weil er sein Mädchen heiratet. Das werde ich ihn nie vergessen lassen.

»Das Brautpaar hat eigene Schwüre vorbereitet.«

Eigene Schwüre. Das hatte Mac mir schon erzählt. Ich lächele, drehe mich zu ihr, schaue sie gespannt an.

Tränen laufen ihre Wangen herunter, als sie sagt: »Hunter, als ich dich kennengelernt hab, fand ich, dass du ein arroganter Mistkerl bist, aber Tag für Tag bist du mir mehr ans Herz gewachsen, bis ich mir nicht mehr vorstellen konnte, auch nur einen Moment ohne dich zu verbringen. Und trotzdem hat es noch einige Zeit gedauert, bis wir endlich zu diesem Punkt kamen. Aber ich bin so froh, dass wir heute hier stehen. Mit deinem Bruder und unserem wunderbaren kleinen Mädchen. Ich liebe dich von ganzem Herzen und will den Rest meines Lebens mit dir verbringen. Ich will nie wieder von dir getrennt sein. Du bist die große Liebe meines Lebens und ich danke dir, dass du nie aufgegeben hast. Mich nie aufgegeben hast.«

Hunter schluckt. Sie sagt das mit so viel Gefühl, dass auch ich gerührt bin. Es dauert einen kleinen Augenblick, bis er sich wieder gefangen hat und sagen kann: »Meine Mac, du bist die einzige Frau, die ich je geliebt habe, und du wirst immer die einzige sein. Es war ein steiniger Weg, den wir hinter uns gebracht haben, um hierherzugelangen, aber wenn er uns heute hier an diesen Ort geführt hat, dann kann ich ihn nicht bereuen, so beschwerlich er auch war. Du, mein Leben, hast mir das größte Geschenk gemacht, das eine Frau einem Mann machen kann. Ich liebe unser perfektes Mädchen und ich liebe dich umso mehr, weil sie ein Teil von dir ist. Du bist meine eine wahre Liebe und ich will keinen Tag von dir getrennt sein. Ich liebe dich, Mac. Gestern, heute und morgen.«

Dann wischt er mit den Daumen die Tränen unter ihren Augen weg und küsst ihre Lippen.

»Willst du, Mackenzie Hall, den hier anwesenden Hunter Tilman zu deinem rechtmäßig angetrauten Ehemann nehmen?«

»Ja.« 

Selbst wenn das nur peripher etwas mit mir zu tun hat, freue ich mich so, als ich diese beiden Buchstaben aus ihrem Mund höre.

»Willst du, Hunter Tilman, die hier anwesende Mackenzie Hall zu deiner rechtmäßig angetrauten Ehefrau nehmen?«

Er zögert keine Sekunde, als er sagt: »Ja.«

»Dann dürft ihr nun die Ringe tauschen.« 

Einen Augenblick schaut er ratlos durch den Raum, aber ich habe natürlich an die Ringe gedacht. Was wäre ich sonst für ein Trauzeuge? Ich reiche ihm die drei Ringe. Schmale, schlichte Eheringe für sie und ihn und ein Verlobungsring mit einem Diamanten. Sie stecken sie sich an, strahlen dabei so unglaublich, dass mir ganz warm wird.

»Kraft des Amtes, das mir der Staat Nevada verliehen hat, erkläre ich euch beide zu Mann und Frau. Du darfst die Braut nun küssen.«

Und dann küssen sie sich. Ich halte Hazel meine Hand hin, sie schlägt grinsend ein. Mommy und Daddy sind endlich verheiratet. Ein guter Tag. Ein richtig guter Tag.

Es werden Fotos gemacht, Dokumente unterzeichnet und dann stehen wir alle vier grinsend wie Honigkuchenpferde vor der Kapelle. Mac hat meine Hand in ihrer, drückt meine Finger. Ich weiß. Es fühlte sich eine ganze Weile so an, als würden wir Hunter nicht zurückbekommen, aber jetzt … jetzt wird alles gut.

»Woher hast du es gewusst?«, fragt Hunter mich.

Ich zucke mit den Schultern. »Mac hat es verraten.«

Er schaut sie an und sie kaut schuldbewusst auf der Lippe. »Tratschtante.«

»Bist du böse?«

»Quatsch. Ich liebe es, dass unsere Familie komplett war.«

»Fak.« 

Ich lache, als ich Hazels neues Lieblingswort höre, das ihr Vater ihr beigebracht hat, sehr zu Macs Missfallen.

»Du sagst es, Haze«, grinst dieser nur, während Hazel ihr Köpfchen an ihn lehnt.

In den letzten Jahren war ich so was wie ein Ersatzvater für Hazel, aber wir haben die Grenzen nie übertreten. Immer war ich Onkel Carey, niemals ihr Dad. Es ist absolut süß, wie sie immer ganz verliebt Daddy sagt. 

* * *

Der Rückflug ist ereignislos, aber dann kommt das große Ereignis. Zum ersten Mal betritt Hunter die Wohnung, die Mac und ich uns teilen. In mir ist dieses beklemmende Gefühl, weil ich unbedingt will, dass er sich hier wohlfühlt. Mag er es? Aber er hat nicht einmal Zeit, sich umzusehen, bevor Hazel »Daddy, komm!« ruft und ihn in ihr Zimmer mitschleppt.

Ein Bild für die Götter. Das kleine Mädchen und der riesige Mann.

Mac sieht mich an und ich lege ihr einen Arm um die Schultern. »Endlich sind wir wieder zusammen.«

Sie lehnt sich an mich. »Endlich. Ich koch was und du zeigst Hunter, wie man die Kröte bettfertig macht.«

»Okay. Ich wette hundert Dollar, dass Hunt zehn Kapitel vorliest, weil er nicht Nein sagen kann.« Ich halte ihr die Hand hin.

Sie schlägt ein. »Ich sag zwölf.«

Lachend verschwinde ich im Kinderzimmer, wo Hazel ihrem Dad all ihre Spielsachen zeigt. »Hazel-Baby, du musst ins Bad und dann ziehen wir schon mal den Schlafanzug an, okay?«

»Daddy auch?«

»Natürlich. Daddy hilft bei allem.«

Sie ist eine kleine Wasserratte, weswegen Badezeit eine gute Zeit für sie ist. Während sie in der Badewanne schwimmt, knien Hunt und ich neben ihr und starren sie beide verzückt an. Die Tilmann-Brüder. Riesengroß, breites Kreuz, aber dieses kleine Mädchen hat uns um den Finger gewickelt. Vollständig.

Mac kommt rein und Hazel ruft: »Mommy, schwimmen!«

»Ich seh schon, Baby. Das machst du ganz hervorragend. Gleich sind Hunter und Carey auch ganz nass«, sagt sie trocken. Das lässt sich das kleine Monster nicht zweimal sagen und wirft sich in die Fluten.

Ich grinse Mac an. »Kontrollierst du uns, Mama Bär?« Ich spritze Wasser nach ihr.

Hazels Augen funkeln und sie platscht so lange, bis wir die Küstenwache rufen müssen, um uns zu retten.

»Carey«, zischt Mac, aber ich lache nur. Hunter sieht glücklich aus. Also lohnt es sich.

Er wäscht seiner Tochter die Haare und macht ihr Hörnchen. Ich grinse bei diesem Anblick und hole ihr einen Spiegel, damit sie sich ansehen kann. Fasziniert sieht sie die shampoonierten Spitzen an und lacht. Aber als sie auf ihrem Kopf herumpatscht, läuft ihr Shampoo in die Augen und sie fängt an zu weinen. Ich greife nach dem Waschlappen, wische ihr die Augen aus, während Hunter besorgt zusieht.

Ein verlockender Geruch weht ins Bad.

»Essen ist fertig!«, rufe ich, was Hazel dazu bringt, zu klatschen. In diesem Haus essen wir alle gerne. Besonders Lasagne. Und danach riecht es hier.

Wir trocknen Hazel ab, ziehen ihr den Schlafanzug an, bevor wir zum Esstisch marschieren.

Hunter setzt Hazel in ihren Stuhl. Mac reicht ihm ihren Teller. »Sie isst alleine. Stell ihr den Teller einfach hin.«

»Okay.« 

Er reicht ihr den Löffel und schaut dann noch einmal nach, ob sie auch richtig sitzt und der Stuhl auch nicht wackelt. Amüsiert schüttele ich den Kopf. Er ist jetzt schon ein guter Vater, keine Frage.

Nach dem Essen bringt Hunter Hazel ins Bett und liest zwei ganze Bücher vor. Mac und ich liegen auf der Couch, grinsen uns immer wieder an, weil Hunt doch ein Weichei ist. Sich so um den Finger wickeln zu lassen. Würde uns natürlich nicht passieren.

Als er endlich zu uns kommt, setzt er sich so, dass Mac in seinen Armen ist. »Wie viele Kapitel sind eigentlich normal?«

»Eins«, sagt sie, während ich antworte: »Drei.«

Lachend stupst sie mich mit dem Fuß an. »Sie wickelt dich auch um den Finger.«

Ich grinse. »Aber ich bin der Onkel. Ich darf sie verwöhnen.«

Hunter lacht. »Okay, dann sag ich ihr das morgen Abend.«

»Mac hat mir gerade gesagt, dass du den Babysitter spielst«, werfe ich ein. »Ich hab morgen Dienst, aber dann Montag und Dienstag frei. Falls du noch ein bisschen mit Stützrädern fahren willst.«

»Danke, Mann. Ich will ja nichts kaputt machen.«

»Kannst du nicht«, antworte ich voller Überzeugung. »Ich hab am Anfang auch gedacht, dass sie aus Zucker ist, aber sie ist hart im Nehmen. Und mittlerweile sagt sie auch, wenn ihr was nicht passt. Und darüber hinaus sagst du eh zu nichts Nein. Ihr werdet euch blendend verstehen.« Ich grinse meinen Bruder an.

Hunter reibt sich den Nacken. »Hmmh.«

»Softie«, sagt Mac lachend.

»Schuldig.«

Ich drücke auf der Fernbedienung rum und werfe Hunter einen Controller zu. »Spielen wir eine Runde?«

Er nickt und dann ist es so wie früher. Wir beide und unsere Konsole.

Ja, dies ist echt ein guter Tag, weil wir wieder zusammen sind. Wir alle.

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