The Irishs – Roan

Erstes Kapitel:

Heute ist der zweitschlimmste Tag meines Lebens. Morgen werde ich dreißig, das wird also der schlimmste Tag sein. Aber ein Tag davor ist echt mies.

Als Teenager glaubt man nicht mal, dass man jemals dreißig werden würde, weil man dann echt alt ist. Wie seine Eltern. Das kann man sich überhaupt nicht vorstellen. Schließlich sind die echt alt. Um nicht zu sagen, ganz furchtbar alt.

»Du stirbst nicht, nur weil du dreißig wirst«, erklärt Nina, meine beste Freundin.

»Natürlich stirbt man nicht, wenn man dreißig wird«, sage ich, als wäre das total klar, »man wird plötzlich über Nacht alt. An dem einen Tag hast du noch jugendliche Haut, volle Haare und einen knackigen Hintern, und am nächsten Tag ist das alles verschwunden. Dann heißt es Falten, Cellulite und Hängetitten.«

Nina lacht, während sie über ihren Babybauch streicht. »Eigentlich existiert das nur in deinem Kopf. Von einem Tag auf den anderen wird man nicht alt.«

»Oh, ich befürchte schon. Im Grunde muss ich mir heute noch einen Kerl anlachen, der mich auch dann noch liebt, wenn ich morgen alt und verschrumpelt bin.«

Nina grinst. »In den Geburtstag reinfeiern, wie in alten Zeiten?«

»Ja, ganz genau.« Ich schiele auf ihren Bauch. »Wobei du ja nicht kannst.«

»Verstehe, jetzt ist es also meine Schuld, dass du vor dreißig keinen Kerl mehr abbekommst.«

»Ganz genau. Weil du dich vor dreißig anbumsen lassen musstest.« 

Ich lache, während ich ihr eine Hand auf den Bauch lege. Immerhin ist hier mein zukünftiges Patenkind drin, da darf ich das.

»Ich entschuldige mich ganz offiziell und werde auch Jared zur Verantwortung ziehen.« Nina legt ihre Hand auf meine, drückt meine Finger.

Es waren immer wir zwei gegen den Rest der Welt. Klar, es gibt Eltern und Familie, andere Freunde, aber das hier zwischen uns, das ist schon große Liebe. Seit wir uns mit zehn in der Schule kennengelernt haben, sind wir uns kaum mehr von der Seite gewichen. Urlaube ohne die andere waren die Hölle, bis unsere Eltern dazu übergingen, die jeweils andere mitzunehmen. Dasselbe College, gemeinsame erste Wohnung.

Und dann kam Jared.

Nicht falsch verstehen, ich finde ihn toll. So toll, wie ein Mann eben sein kann, der seine Socken überall rumfliegen lässt und den Toilettendeckel nicht runtermacht.

Aber er hat unsere Zweisamkeit kaputtgemacht.

Natürlich ist Nina auch echt glücklich. Würg. Nein, ist sie wirklich. So glücklich, dass ihr immer Herzen in den Augen tanzen. Es hat sie schlimm erwischt.

Ich wünsche ihr das Glück so sehr, aber es wäre echt toll gewesen, wenn Jared einen Single-Freund gehabt hätte, der mich interessiert. Aber sie sind alle Punks oder Nerds. Nichts dagegen. Wirklich nicht. Jared ist auch einer und den kann ich leiden, aber trotzdem.

Gebt mir lieber so einen Bad Boy mit zwielichtiger Vergangenheit. Also, einen, der ein goldenes Herz hat, nicht einen, der bei der Mafia oder Zuhälter ist. Einen Half Bad Boy, sozusagen. Einen, der aussieht, als würde er alten Omas das Bein stellen, aber ihnen eigentlich den Sitz im Bus anbietet. Ihr versteht?

Und Tattoos.

Also, Tattoos muss er auf jeden Fall haben.

Ohne macht so ein Bad Boy auch gar keinen Sinn.

»Jenna!«

Ich schüttele den Kopf. Ups, da habe ich mich wohl ein wenig in meinen Träumen verloren. »Ja?«

Nina grinst. »Ich hab gesagt, dass wir ausgehen sollten. Ich werd ja eine ganze Weile nicht mehr können. Bald heißt es nur noch Babygeschrei und Windeln wechseln.«

»Aber du kannst nichts trinken. Kannst nur am Rand tanzen.« Ich reiße dramatisch die Augen auf. »Kannst keinen Typen abschleppen!«

Sie hebt die Hand. »Hey, wenn ich einen Typen abschleppen wollte, könnte ich das. Nur dass das klar ist.«

Ich grinse. »Okay, okay, dann kannst du das, willst aber nicht. Das ist doch kein Feiern.«

»Wir müssen eben mit dem arbeiten, was wir haben. Also, du, ich und das Baby gehen heute feiern. Guter Plan. Erst ins Juicy’s und dann tanzen.«

»Kannst du deine Füße eigentlich noch heben?«

Sie funkelt mich an. »Nein, ich werd einfach hin und her schwanken und so tun, als wäre ich voll breit und würde nichts mehr mitbekommen. So wie du, als wir auf diesem Festival waren.« Sie lacht.

»Haha, sehr witzig.«

Zugegeben, es ist sehr witzig, vor allem für Nina. Ich weiß nicht mehr so viel davon, was schon Beweis genug ist. Wobei sie mir jetzt natürlich alles erzählen kann.

»War es wirklich. Also, was sagst du? Let’s party?«

»Fein, lass es uns tun.«

»Gut.« Sie schaut mich an. »Du willst dir wahrscheinlich noch was anderes anziehen?«

»Hey, wenn ich morgen schon alt werde, muss ich heute noch mal alles zeigen, was ich hab.«

Sie grinst. »Dann treffen wir uns um neun am Juicy’s

»Alles klar.« 

Ich küsse sie auf die Wange, bevor ich nach Hause entschwinde, um mich fertig zu machen.

* * *

Um neun stehe ich in der Schlange vor der angesagten Bar. Um Viertel nach neun stehe ich da immer noch und bin weiterhin allein. Ich zücke mein Handy und rufe Nina an.

Nach ein paarmal Klingeln nimmt sie den Anruf an.

»Hallo?«, fragt ein Mann. Jared.

»Hey, du. Ich bin mit Nina verabredet. Wo ist sie?«

»Oh, Mist.«

»Was?«

»Sie schläft hier neben mir auf der Couch.«

»Das ist doch nicht dein Ernst.«

»Doch, ich befürchte schon.«

»Boah, Schwangere nerven«, scherze ich.

»Sie wird morgen bestimmt total zerknirscht sein.«

»Wenn sie sich überhaupt daran erinnert. Schwangerschaftsdemenz und so.«

Er lacht. »Das kann natürlich auch sein. Ist alles gut?«

»Natürlich ist alles gut. Sie ernährt ein anderes Leben. Da kann ich ihr ja schlecht böse sein.«

»Ich sag ihr, dass du angerufen hast.«

»Danke dir. Und Jared?«

»Ja?«

»Ich hasse dich, nur damit du es weißt.« Ich grinse.

»Oh, oh, jetzt hab ich aber Angst. Ich hasse dich auch.«

»Gut, dass wir das geklärt haben.«

Als ich aufgelegt habe, frage ich mich, was ich jetzt machen soll. In dem Moment nickt mir der Türsteher zu und macht die Tür auf. Na gut, dann gehe ich mal rein.

Drinnen habe ich das Gefühl, gegen eine Wand zu laufen. Eine Wand aus Geräuschen, Gerüchen und Nebelschwaden. Letzteres habe ich mir vielleicht ausgedacht, kann sein. Aber kaum gehe ich drei Schritte, bin ich in einem Kokon gefangen. Als würde ich die Realität draußen lassen und in eine Traumsequenz treten.

Ich kann mich nicht daran erinnern, jemals allein feiern gegangen zu sein, aber da ich schon mal hier bin, kann ich mich auch an die Bar setzen und was trinken. Danach entscheide ich, was ich tun will.

Ich schlängele mich zwischen den anderen Körpern hindurch. Hinter der Bar diskutieren gerade zwei Männer, die beide eindeutig meine nächsten Fehler sein könnten. Groß, breit, tätowiert. Was kann ein Mädchen mehr wollen?

Als ich an der Bar ankomme, stehe ich einen Moment unschlüssig herum, bevor ich Glück habe und einer der Stühle frei wird. Schnell schiebe ich meinen Hintern auf diesen. Dann versuche ich, mich bemerkbar zu machen, aber die beiden Kerle beachten mich nicht.

»Hey, was muss ein Mädchen tun, um was zu trinken zu bekommen? Die Titten auspacken?«, rufe ich.

Einer der beiden sieht zu mir und grinst. Gott, er ist heiß. Eindeutig mein nächster Fehler.

Neben mir regt sich was. »Wenn du sie rausholst, hätte ich nichts gegen einen Blick.«

Ich schaue zu dem Mann, der gesprochen hat, und schaue nach oben und nach oben und nach oben, bis ich auf seinem Gesicht lande. Er grinst mich so frech an, dass mein Interesse geweckt ist. Neben tätowierten Männern sind es freche Männer, denen ich nicht widerstehen kann. Kein bisschen.

»Normalerweise wird dafür viel Geld gezahlt«, entgegne ich.

Er lacht, schaut mir dabei ohne jede Scham aufs Dekolleté.

Dazu muss man sagen, dass da auch viel zu entdecken ist, denn an meinem letzten Abend als junger Mensch will ich es noch mal wissen und habe die Zwillinge appetitlich angerichtet.

»Das kann ich mir vorstellen«, sagt er und leckt sich die Lippen.

Einer der heißen Männer hinter der Bar kommt zu uns, gibt dem frechen Kerl einen Stoß gegen die Schulter. »Roan, ich erzähl deiner Mutter, dass du fremden Frauen in den Ausschnitt glotzt.«

Der Kerl, Roan, sieht auf, und so nah beieinander erkenne ich eine gewisse Familienähnlichkeit. »Du bist eine scheiß Petze, Finn.«

Dieser lacht, bevor er sich an mich wendet. »Hier servieren wir den Frauen Getränke, ohne dass sie ihre Titten zeigen müssen.«

»Gut zu wissen. Ich war mir nicht sicher«, erwidere ich grinsend. »Ich nehm einen Gin Tonic und einen Shot Patrón.«

»Einen Augenblick.«

Roan wirft ein: »Den Tequila nehm ich auch.«

»Hast du denn Kohle?«, fragt Finn grinsend.

Roan zieht die Schultern hoch. »Ich dachte, Cousins trinken hier umsonst.«

»Haha. Ist nicht.«

»Ich lad ihn ein«, sage ich und zücke meine Kreditkarte.

Roan lächelt mich an. Und es ist ein Lächeln, das mein Höschen schmelzen lässt. Puff. Weg. »Danke. Ich kann mich auf der Toilette ja revanchieren.«

»Ich wusste nicht, dass du ein Callboy bist«, gebe ich zurück.

Finn kriegt sich nicht mehr ein vor lauter Lachen, während Roan meint: »Dafür wird viel Geld gezahlt.«

»Touché«, antworte ich, während ich nach der Limettenscheibe greife und mit dem Saft meinen Handrücken benetze, bevor ich Salz drauf streue.

Ich sehe Roan an, der das Gleiche macht. Bevor ich an meiner Hand lecken kann, tut er es. Ich grinse, bevor ich seine Hand ablecke, den Tequila runterkippe und in die Limette beiße.

»Du schmeckst gut«, kommentiert er.

»Du bist auch nicht ganz so schlecht.«

»Und du bist echt großzügig mit deinen Komplimenten.«

»Immer.«

Er grinst mich an.

»Noch einen?«, frage ich.

Er nickt. »Einer geht noch.«

»Ach, hast du noch was vor?«

»In der Tat.«

Irgendwie finde ich die Vorstellung abturnend, aber da ich die neugierigste Person auf diesem Planeten bin, frage ich: »Was machst du denn noch?«

Er beugt sich vor, flüstert mir ins Ohr: »Wenn ich dir das erzähle, müsste ich dich umbringen.«

Ich lache. »Ist das so?«

Er zwinkert mir zu. »Wusstest du, dass Franzosen Orgasmen als petite mort bezeichnen?«

»Aber du bist doch Ire«, entgegne ich charmant.

Lachend nickt er. »Was hat mich verraten?«

»Rote Haare und Sommersprossen.«

Er streicht sich über die Haare, die an den Seiten kurz rasiert und oben ein wenig länger sind. »Hey, das ist Kastanienbraun.«

Lachend streiche ich ihm über den kurzen Bart. »Ach, ehrlich?«

Roan greift nach meiner Hand, drückt sie gegen seine Wange. »Wie heißt du eigentlich?«

»Jenna.«

»Es ist mir ein Vergnügen, Jenna, aber ich muss gleich wirklich los. Gibst du mir deine Nummer?«

Er gefällt mir, irgendwie. Er ist frech, groß, sieht gut aus. Nach dem, was ich erahnen kann, ist er gut gebaut. Ein Volltreffer. Und er sieht aus, als könnte man jede Menge Spaß mit ihm haben. Ohne jede Verpflichtung. Das kommt mir sehr entgegen.

Also greife ich nach dem Stift, der auf der Theke liegt. Wahrscheinlich hat ihn jemand nach dem Unterschreiben des Kreditkartenbelegs vergessen. Ich nehme Roans Hand und schreibe ihm meine Nummer auf den Arm. In großen Ziffern. Über den gesamten Unterarm.

Nur für den Fall, dass er sich jetzt mit einer anderen trifft.

Er lacht. »Ich brauch keine Brille.«

»Ich will kein Risiko eingehen.«

»Verstehe.« Er beugt sich zu mir, drückt seine Lippen gegen meine Wange, was mir Gänsehaut verursacht. »Ich ruf dich auf jeden Fall an.«

Ich nicke, und er geht. Nach zwei Schritten bleibt er stehen, dreht sich zu mir um, legt den Kopf schräg. »Oder willst du mitkommen?«

»Zu einem Dreier?«

Er tut, als würde er überlegen. »Ich mag, wie du denkst. Aber nein. Zu was anderem.«

»Zu was?«

»Es ist ein Abenteuer.« Er grinst und hält mir seine Hand hin.

Und ich?

Ich ergreife sie. Und muss dann erst noch zahlen, was das Ganze weniger dramatisch macht als gedacht.

* * *

»Wo sind wir hier?«, frage ich, als wir in einem Industrieviertel aus dem Uber steigen.

Ich bin echt nicht der ängstliche Typ, aber jetzt wird mir gerade doch reichlich mulmig zumute. Vielleicht sollte man nicht unbedingt mit einem Fremden mitgehen. Schon gar nicht, wenn man so leicht bekleidet ist. Ich denke natürlich nicht, dass die Kleidung in irgendeiner Art schuld ist, wenn schlimme Dinge passieren, aber trotzdem fände ich einen Schneeanzug gerade passender.

Er grinst. »Lass dich überraschen.«

Einen Augenblick überlege ich, ob ich den Uberfahrer bitten soll, mich nach Hause zu bringen, aber irgendwie bin ich auch neugierig, was mich irgendwann umbringen wird. Vielleicht heute.

Mist. Ich steige aus.

Lachend nimmt Roan meine Hand und läuft mit schnellem Schritt auf ein Gebäude zu.

»Nicht so schnell!«, rufe ich, während ich versuche, auf High Heels zu folgen.

»Wir sind schon spät dran«, erklärt er und ich bemühe mich, Schritt zu halten.

Das ist auch definitiv das falsche Schuhwerk für eine Flucht. Ich habe das eindeutig nicht bedacht. Das wird auf meinem Grabstein stehen.

Roan klopft an eine Tür, die sofort geöffnet wird.

»Du bist spät dran«, erklärt eine tiefe Stimme, bis ich dann den zugehörigen Körper sehe.

Mein lieber Schwan.

Roan ist groß und gut gebaut, aber dieser Mann ist ein echter Schrank. Riesengroß, Bizepse, die sein Hemd zu sprengen drohen, und ein Körperumfang, um den ich meine Arme nicht bekommen würde. Wahnsinn.

»Jetzt bin ich ja da, Dima.«

Die Kante, die offensichtlich Dima heißt, nickt zu mir. »Und sie?«

»Gehört zu mir.«

Abschätzig blickt er mich an und ich möchte jetzt wirklich den Schneeanzug haben. Diese Art von Blick ist es, bei denen es Frauen kalt den Rücken runterläuft.

»Sie soll sich benehmen.«

Normalerweise würde ich ihm einen Spruch drücken, aber er macht mir Angst. Und auf einmal weiß ich, dass das hier ganz und gar keine gute Idee ist.

»Dima!«, ruft jemand aus und lässt eine Hand auf seine Schulter fallen. »Begrüßt man so seine Gäste?« Ein mittelgroßer, schlanker Mann erscheint neben dem Türsteher. Er lächelt mich charmant an. »Ich bin Boris. Entschuldigen Sie bitte diesen Bauern, der keine Manieren hat.« Er reicht mir seine Hand.

Zögernd ergreife ich sie. Er drückt mir einen Kuss auf den Handrücken, was mir noch nie passiert ist. Er zwinkert mir zu.

»Roan, du musst los, aber ich würde mich freuen, wenn Sie mir Gesellschaft leisten«, wendet er sich wieder an mich. »In meiner Loge.«

Loge?

Wo bin ich hier gelandet?

Roan beugt sich zu mir, schirmt mich vor den Blicken der beiden Männer ab. »Ist das für dich okay? Oder möchtest du lieber am Ring sitzen?«

Am Ring?

Keine Ahnung, was ich sagen soll, aber Boris’ Glätte bereitet mir beinahe noch mehr Unbehagen als Dimas Kälte. 

Ich trete hinter Roan hervor. »Da es mein allererstes Mal ist, würde ich gern am Ring sitzen, wo ich alles sehen kann«, sage ich lächelnd, sodass auch Boris mich hören kann.

Er lächelt charmant. »Dann lassen Sie mich Sie wenigstens zu Ihrem Platz begleiten.« Er reicht mir seinen Arm.

Mir bleibt kaum was anderes übrig, als diesen zu nehmen. Ich blicke mich zu Roan um, der mich aufmunternd ansieht. Na gut. Dann ist das so.

Boris führt mich durch einen langen Gang. »Da es Ihr erstes Mal ist, erlauben Sie mir, Ihnen ein paar Details mit auf den Weg zu geben. Es sieht brutal aus, und das ist es auch.«

Ich habe wirklich ein Talent, mich in Schwierigkeiten zu bringen. Brutal hört sich nun gar nicht einladend an.

»Aber wir haben alle möglichen Sicherheitsmaßnahmen getroffen. Wir haben einen Arzt und Sanitäter hier. Es wird sich sofort um die Fighter gekümmert, wenn es sein muss. Aber keine Sorge«, er tätschelt mir die Hand, »Roan hat bisher noch nie verloren.«

Irgendwie beruhigt mich das gar nicht. »Fighter? Also Boxkämpfe?«

Er lacht. »Nein, MMA.« Als ich ihn verständnislos ansehe, erklärt er: »Mixed Martial Arts. Käfigkämpfe.«

»Oh«, ist alles, was mir dazu einfällt, aber gleichzeitig spüre ich auch so eine Art Erregung durch mich fließen. Meine Vorstellung davon wird wahrscheinlich nicht mit der Realität übereinstimmen, aber halb nackte Männer, die vor Schweiß glänzen, kommen mir gerade in den Sinn. Keine schlechte Vorstellung.

»Roan hat Ihnen offensichtlich nichts gesagt«, stellt er fest. Er zieht einen Hundert-Dollar-Schein aus dem Sakko. »Hier.«

»Wofür?«, frage ich, wehre ihn ab.

»Die erste Wette geht aufs Haus.«

»Wetten?«

Er lacht. »Natürlich. Das ist doch der halbe Spaß.«

Bevor ich antworten kann, treten wir durch einen Vorhang und stehen in einer Arena. Am oberen Ende der Sitzreihen. In der Mitte ist eine Art Podest, nicht viereckig wie ein Boxring. Ich zähle nach. Acht Ecken. Ein Oktogon. Auf diesem steht ein Käfig, aber nicht so einer, wie ich mir das beim Wort Käfig vorgestellt habe. Er sieht eher … nun ja … harmlos aus.

»Kommen Sie. Die Angehörigen unserer Kämpfer sitzen ganz unten.«

Gut, eine Angehörige bin ich nun nicht, noch nicht mal eine Bekannte, aber ich folge ihm trotzdem, lasse mich zu einem Sitz führen. Boris greift nach meiner Hand, drückt erneut seine Lippen darauf und reicht mir den Schein erneut. Dann winkt er jemandem. »Bei Serge können Sie Ihre Wette platzieren.«

Ich nicke dankend, als ich mich setze. Die anderen Plätze um mich herum sind noch nicht besetzt.

Der Buchmacher kommt. »Auf wen möchten Sie setzen?«

»Ich bin mir noch nicht sicher. Kann ich noch ein bisschen Bedenkzeit haben?«

»Natürlich. Rufen Sie einfach nach Serge, wenn Sie es wissen. Aber Sie können nur bis zum Beginn eines Kampfes auf den jeweiligen Kämpfer setzen.«

»Wie viele Kämpfe gibt es denn?«

»Zwölf.«

»Und bei welchem ist Roan?«

»Roan? Wie weiter?«

Ich zucke mit den Schultern.

Serge kratzt sich am Kopf. »Hm, der Ire?«

»Er ist Ire, ja.«

»Der ist im zehnten Kampf.«

»Okay, danke.«

»Sagen Sie einfach Bescheid.«

Ich nicke. Zur Sicherheit stecke ich den Schein erst mal in meinen BH.

Puh. Ob ich hier richtig bin? Ich weiß es nicht.

Aus der Nähe sehe ich, dass der Käfig aus Maschendraht besteht. Von oben konnte ich das Material nicht erkennen. Im Grunde ist es also ein überdimensionaler Kaninchenstall. Gott, das sollte ich niemanden hören lassen. Dafür bekommt man wahrscheinlich Ärger.

Und dann füllen sich auf einmal die Sitze. Neugierig schaue ich mich um, ob ich vielleicht jemanden kenne, aber so ist es nicht. Fast alle um mich herum sind schick angezogen, aber nicht elegant, wie man es bei einer Oper erwarten würde, sondern ein wenig … nun ja … trashy. Da passe ich mit meinem Fummel ganz gut rein.

Plötzlich wird es dunkel um mich herum. Die Show fängt an.

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