Leseprobe: Ich bin Seraphine/ Ich bin Dylan
Der vierte und fünfte Band der Rock’n’Rallye-Reihe sind da! Ganz viel Spaß mit Seraphine und Dylan! Hier ist das erste Kapitel für dich:
Kapitel 1
Seraphine
Ich schaue auf die beiden Karten in meiner Hand, die ich ein wenig auseinanderziehe, um noch einmal zu checken, ob die untere Karte wirklich eine Pik-Neun ist. Erleichterung durchflutet mich, als ich sie sehe. Mein Blick schweift zum Tisch, auf dem Pik-Dame, Pik-Bube und Pik-Zehn liegen, und noch zwei rote Karten, die keine Rolle spielen, zumindest nicht für mich.
Ich greife nach meinen Chips, überlege kurz und schiebe sie dann alle in die Mitte des Tisches. Leises Raunen kommt von meinen Mitspielern.
»All in«, erkläre ich unnötigerweise, obwohl sie es alle gesehen haben.
Links neben mir stiehlt sich ein kleines Lächeln auf einen Mund. »Call.« Auch er schiebt seinen Chipsberg in die Mitte.
»Fold.« Der nächste Mitspieler steigt aus, und ich schaue zu den zwei übrig gebliebenen. Einer steigt aus, einer geht mit. Sind wir also nur noch drei.
Jetzt muss ich aufdecken. Der Effekt wäre besser, wenn ich nicht vorlegen müsste, aber man kann nicht alles haben.
Ich lege meine Pik-Neun hin, gefolgt von der Pik-Acht. Straight Flush. Nur jemand mit König und As könnte mir den Sieg noch streitig machen.
Der Mann neben mir, der gerade noch siegesgewiss gelächelt hat, knurrt: »Fuck!«, und wirft seine Karten hin. Ich blicke zum letzten verbliebenen Mitspieler, der erst die Stirn runzelt, bevor er den Pik-König aufdeckt. Mein Magen zieht sich nervös zusammen. Oh, nein. Ich hatte den Sieg doch schon in den Händen. Bitte, nicht auch noch das As. Bitte nicht.
Ich schließe die Augen, als er genau dieses aufdeckt. Das darf nicht wahr sein. Mein ganzes Geld verspielt. Mit nur einer unbesonnenen Tat. Aber ich hatte einen Straight Flush! Ich hätte gar nichts anders machen können. Da steigt man doch nicht aus. Und wie groß war die Chance, dass er ausgerechnet König und As haben würde? Sie war gering. Verschwindend gering.
Als ich die Augen wieder öffne, sehe ich in das grinsende Gesicht mir gegenüber. »Tja, kleine Mädchen sollten eben nicht mit Männern spielen.« Dann lässt er sich von den anderen die Hände schütteln und auf den Rücken klopfen, weil sie mich sowieso nur geduldet haben, denn eigentlich hatte niemand mit mir spielen wollen.
Ich stehe auf, beuge mich vor und reiche ihm ebenfalls die Hand. »Herzlichen Glückwunsch.«
Seine Mimik wirkt zu gleichen Teilen grausam und schleimig, als er sagt: »Was denn? Du willst keine Chance, dein Geld zurückzugewinnen?«
»Ein anderes Mal.«
Sein dröhnendes Gelächter folgt mir, als ich den Raum verlasse. Klar, jetzt haben diese misogynen Ärsche wieder Oberhand, können sich loben, weil sie die einzige Frau aus dem Rennen geworfen haben. Vielleicht bin ich auch nur eine schlechte Verliererin. Aber diese Niederlage ist bitter, so richtig bitter. Ich trete aus dem Gebäude, schaue in den Londoner Nieselregen, und habe noch schlechtere Laune. Die Stadt hat diese Wirkung auf mich. An den Tagen, an denen ich brillanter als die Sonne scheine, verstärkt sie das Gefühl noch. An den Tagen, an denen ich mich halb zerbrochen fühle, tritt sie noch mal nach.
Ich ziehe den Kragen hoch, marschiere durch das unermüdliche Nass zur nächsten U-Bahn-Station. Wenn ich zu Hause bin, brauche ich ein langes Schaumbad, eine Flasche Wein und einen Riesen-Eisbecher. Was anderes hilft da nicht.
Dylan
»Ihr könnt mich mal!«, rufe ich aufgebracht und knalle die Tür hinter mir ins Schloss.
»Solche Wichser«, murmele ich vor mich hin, als ich die Bar verlasse. Am Abend zuvor bin ich hier aufgetreten, und nun wollen sie mir mein Geld nicht geben! Das ist doch einfach unverschämt!
Ich hätte nur fünfundzwanzig Minuten auf der Bühne gestanden, nicht dreißig, wie vereinbart, daher würden sie nun nichts zahlen. Dass ich aber von einem ihrer Stammgäste von der Bühne gepöbelt wurde, das ist ihnen egal. Wie kann das sein?
Es ist einfach unfair. Aber ohne Geld, ohne Beziehungen und ohne Label hat man es in der Music City nicht besonders leicht. An jeder Ecke lauert jemand, der einen übervorteilt, und mit der Menge an jungen Künstlern, die tagtäglich nach Nashville kommen, haben sie die freie Auswahl an Talenten.
Was soll ich jetzt machen? Ich hatte fest mit den Einnahmen gerechnet. Das war die Miete für diese Woche.
Ich setze mich in mein schrottreifes Auto, bete für ein Wunder, als es beim Anlassen wie jedes Mal stottert, und schicke ein Danke gen Himmel, als es doch anspringt. Dann fahre ich zu dem Café, in dem ich arbeite, wenn ich nicht Musik mache, und in dem ich wohl um Überstunden werde betteln müssen.
»Du kommst zu spät«, ruft mir Sheila zu, als ich eintrete.
»Ich weiß. Es tut mir total leid.«
»Lass mich raten. Dein Goldfisch ist gestorben?« Neben dem Wort Sarkasmus im Wörterbuch klebt eindeutig Sheilas Gesicht.
»Ich hab keinen Kopf für Witze.« Ich stürme in den kleinen Raum, der den Angestellten als Garderobe dient.
Sie folgt mir auf dem Fuße. »Was ist passiert?«
Ich setze mich auf die Bank, lasse die Ellenbogen auf die Knie sinken und vergrabe mein Gesicht in den Händen. »Wird es irgendwann leichter?«
»Was denn?«
»Kann man es irgendwann besser ertragen, wenn Männer denken, dass sie alles mit einem tun können, nur weil sie einen Schwanz haben?«
Sheila kniet sich neben mich, legt eine Hand auf mein Bein. »Du musst zur Polizei gehen.«
Einen Augenblick schaue ich sie verständnislos an, bevor mir aufgeht, was sie verstanden hat. »Nein, das meine ich nicht. Ich bin gestern in dieser Bar aufgetreten und sie haben sich geweigert, mich dafür zu bezahlen.«
»Ach, Schätzchen. Es wird nicht leichter. Man lernt damit zu leben, aber es wird immer diesen Teil in dir geben, der dagegen rebelliert, der niemals Ruhe geben wird, gegen diese Ungerechtigkeit anzukämpfen. Was du daraus machst, ist deine Entscheidung. Abschwächen kann man die Stimme nur mit Xanax.«
»Es ist einfach so unfair.«
»Ich weiß.«
»Und man kann nichts dagegen tun.«
»Es tut mir so leid, dass es Frauen heute noch immer so ergeht, wie es uns vor dreißig Jahren ergangen ist.«
»Es wird sich nie ändern.«
»Das Musikbusiness wird von Männern beherrscht. So ist es nun mal. Ist es richtig? Nein. Aber so lange die Kasse klingelt, wird daran auch niemand etwas ändern.«
»Und was soll ich machen?«
»Was wir alle machen. Dich irgendwie arrangieren.«
Ich stehe auf, was sie mir nachtut. Sie ist einen ganzen Kopf kleiner als ich, würde mit ihren fünfzig Jahren immer noch gut aussehen, wenn ihr das Leben nicht so übel mitgespielt hätte. »Und wenn ich das nicht kann?«
»Dann wirst du keinen Platz in der Country Music finden.«
Ich trete an meinen Spind, verstaue meine Tasche darin und hole die Schürze heraus. »Kann ich ein paar Überstunden machen?«
»Klar. Michaela hat sich krank gemeldet. Du kannst ihre Schicht übernehmen.«
»Danke.« Ich drehe mich um, schaue sie an. Ich bin ihr wirklich dankbar für alles, was sie in den letzten Jahren für mich getan hat.
»Ich wünschte, ich könnte mehr tun.«
»Ich weiß.«
* * *
Nach meiner Schicht fahre ich nach Hause. Es ist eine winzige Wohnung über einer Garage, die Freunden von Sheila gehört. Aber es ist mein Heim, daher kann ich nicht meckern. Ich schaue in den Küchenschrank und finde in der hintersten Ecke noch eine Dose Ravioli, die ich mir aufwärme. Einkaufen sollte ich auch mal wieder gehen.
Mit meinem luxuriösen Mahl setze ich mich vor den Fernseher, suche nach einem Programm, das nicht Trump zeigt, und bleibe schließlich bei Hallmark hängen. Ein wenig Schnulze in meinem Leben kann ich eindeutig gebrauchen.
Seraphine
»Wenn das nicht meine geliebte Schwester Seraphine ist«, flötet mein Bruder Kyle, der irgendwann als Kind mal auf den Kopf gefallen sein muss, mir entgegen.
Seine Frau Aubrey schüttelt schmunzelnd den Kopf, bevor sie sagt: »Wartet! Ich hol Popcorn.«
»Sara.«
»Steht in deinem Führerschein Sara?«
Ich seufze. »Nein.«
»Steht auf deiner Geburtsurkunde Sara?«
»Nein«, gebe ich zu.
»Dann ist es auch nicht dein Name.«
»Aber wenn ich doch so genannt werden möchte?«
»Da könnte ja jeder kommen.«
»Du bist unmöglich.«
»Danke.«
»Das war echt kein Kompliment.«
Kyle küsst mich auf die Wange. »Doch, war es. Du weißt es nur nicht.«
»Geh weg.«
Aubrey kommt mit einer Schüssel Popcorn wieder. »Hab ich es verpasst?«
Kyle lacht. »Ich bin mir sicher, innerhalb von fünf Minuten startet Runde zwei.« Man muss einfach nur die Menschen finden, die die gleiche Art von Verrücktheit haben wie man selbst.
»Dann setz ich mich hierher und warte.«
Ich mag Aubrey, wirklich. Aber in diesem Moment wünsche ich mir, dass sie nicht hier wäre. Weil ich meinen Bruder um Geld bitten muss. Und ich möchte nicht vor meiner Schwägerin als Versagerin dastehen.
»Und wie geht’s dir so?«, frage ich schließlich, weil mir nichts anderes einfällt.
»Gut, und selbst?«
»Auch gut.«
Und dann schweigen wir uns an. Er abwartend und ich auf Zeit spielend.
»Was hast du in den letzten Tagen so gemacht?«, versuche ich es noch einmal, als die Stille unerträglich wird.
»Training, ein paar Pressetermine. Und du?«
»Dies und das.«
Und wieder Schweigen. Eigentlich verstehen wir uns sehr gut, doch er weiß, dass ich irgendwas will, aber nicht mit der Sprache herausrücke. Das sehe ich ihm an der Nasenspitze an. Er kennt mich einfach zu gut.
»Was macht das Training?«
»Gut. Was macht das Leben?«
»Gut.«
Aubrey wirft frustriert die Hände in die Luft. »Normalerweise seid ihr beide spannender. Aber jetzt hab ich das Gefühl, als wäre meine Zeit beim Schlafen besser aufgehoben. Also, gute Nacht. Und schämt euch. All das schöne Popcorn umsonst.«
Sie stellt die Schüssel auf den Tisch und verlässt den Raum.
Kyle nimmt sich Popcorn und beginnt, es sich in den Mund zu werfen. »Also? Was gibt es?«
»Ich habe Scheiße gebaut.«
»Das liegt an den Genen.«
»Ich weiß, aber es ändert nichts. Ich brauche deine Hilfe.«
»Jederzeit. Das weißt du doch.«
»Kannst du mir Geld leihen?« Diese Worte bleiben mir beinahe im Hals stecken. Sie fühlen sich an, als hätte ich versagt, und das habe ich auch. Ich bin erwachsen. Ich sollte für mein eigenes Leben verantwortlich sein, stattdessen muss ich meinen Bruder anpumpen.
»Klar. Wie viel brauchst du?«
Ich wische mir über die Augen, befürchte, dass ich anfangen werde zu weinen, wenn ich seinen Respekt verliere. »Ich habe gestern alles verloren.«
»Alles? Was heißt alles?«
»Zwanzigtausend Pfund.«
»Sara! Dein Ernst? Wie konnte das passieren? Und seit wann spielst du um hohe Einsätze?« Kyle lässt vor Schreck das Popcorn fallen.
»Niemand macht mir mehr Vorwürfe als ich selbst.«
»Du hast ja meine noch nicht gehört.«
Ich hebe beide Hände und springe vom Sessel auf. »Hör auf, okay? Hör auf. Ich weiß, dass ich ein Loser bin, dass es vollkommen unverantwortlich war. Dass du dich für mich schämst, dass ich doch endlich mein Leben mal in den Griff kriegen sollte.«
Kyle steht auf, zieht mich in die Arme, was ich zuerst widerwillig über mich ergehen lasse, nur um mich dann in seine Umarmung zu flüchten. »Erstens würde ich mich niemals für dich schämen. Du kannst nichts machen, um meine gute Meinung von dir zu verlieren. Gar nichts. Du bist meine Schwester und nach Aubrey mein Lieblingsmensch.«
Und dann weine ich wirklich, schluchze an seiner Brust, während er mich hält, nicht zulässt, dass ich zerbreche. »Es tut mir so leid.«
»Nichts braucht dir leid zu tun. Du redest immerhin mit mir. Ich bin eine wandelnde Katastrophe und der erste, der jede Chance, die sich ihm auftut, wieder zerstört.«
»Aber man sollte doch irgendwann sein Leben in den Griff kriegen.«
»Im Grunde ist doch nur wichtig, dass du glücklich bist. Das ist die einzige Frage, die zählt. Bist du es?«
Ich schüttele den Kopf. »Ich weiß nicht, was ich mit meinem Leben machen soll.«
Kyle küsst mich auf den Kopf. »Dann ist es an der Zeit, das herauszufinden.«
»Und wenn ich in nichts gut bin?«
»Dann kannst du immer noch Prostituierte werden.«
»Sehr witzig.«
»So bin ich.«
Als ich mich nach ein paar Minuten von ihm löse, geht es mir wieder besser. Kyle ist eine Nervensäge, aber er schafft es auch immer, mich aufzumuntern.
»Ich kann dir keine zwanzigtausend geben.«
»Das habe ich auch nicht erwartet, wirklich nicht. Vielleicht genug für die Miete und ein bisschen extra?« Ich schäme mich so sehr für diese Worte. Welche erwachsene Frau fleht denn ihren Bruder um Geld an?
Pathetisch, ich bin absolut pathetisch.
Kyle holt sein Handy, tippt darauf herum, und sagt dann: »Erledigt. Aber tu mir einen Gefallen, Sara, werde glücklich. Ich kann es nicht ertragen, dich weinen zu sehen.«
* * *
Später liege ich auf meinem Bett, habe das Handy auf der Bettdecke vor mir liegen und scrolle durch Facebook. Langweilig. Langweilig. Oh, Jane hat ein Kind bekommen. Vielleicht sollte ich ihr mal Glückwünsche schicken. Langweilig. Langweilig. Was ist das?
Ich richte mich ein wenig auf und klicke auf den Link mit den Worten »Boudoir-Fotografie für Anfänger«. Der Text ist lang, ich überfliege ihn nur und bleibe dann an der Galerie hängen. Die Bilder zeigen Frauen in Unterwäsche, teilweise auch unbekleidet, oder nur in Perlen gehüllt. Klar, ich stehe auf Frauen, aber diese Bilder sind nicht nur sexy, sie sind … sinnlich. Sie strahlen Stärke und gleichzeitig auch eine gewisse Verletzlichkeit aus, die mich emotional berührt. Egal in welcher Größe, welcher Hautfarbe und in welchem Alter, sie sind alle wunderschön.
Ich reibe mir über die Brust über meinem Herzen.
Das ist es. Das will ich machen.
Was man dafür wohl braucht? Noch einmal lese ich den Text, diesmal aufmerksamer. Es ist ein viertägiger Intensivkurs in Nashville, der verspricht, einem die Grundlagen dieser speziellen Art der Fotografie beizubringen.
Gut so weit.
Jetzt muss ich nur noch lernen, eine Kamera zu bedienen.
Ich stehe auf, öffne meinen Kleiderschrank und suche in der Vielzahl an Kartons, die dort ihr Dasein fristen, nach der alten Spiegelreflexkamera, die ich mal auf dem Flohmarkt für einen Apfel und ein Ei gekauft habe, weil ich fotografieren lernen wollte. Fünf Jahre später ist das immer noch nicht passiert. Aber jetzt habe ich ja einen Grund.
Ah, da ist sie. Ich ziehe sie heraus, betrachte sie. Es ist noch eine Filmkamera, weil ich mir eine digitale nicht leisten konnte und ich diesen Alte-Welt-Charme von Papierfotos liebe.
Was ist das eigentlich für ein Modell?
Eine Minolta XG-2. Wahrscheinlich nichts Tolles, aber für den Anfang reicht es, denke ich. Schließlich wird man beim Reiten auch nicht sofort auf ein Rennpferd gesetzt, sondern erst mal auf den langsamsten Zossen. Ich öffne die Rückseite. Kein Film drin. Das wundert mich nicht, vielleicht wäre der auch längst abgelaufen. Können Filme ablaufen, ihre Haltbarkeit verlieren? Ich habe keine Ahnung.
Ich nehme die Kamera, bringe sie in die Küche und entstaube sie mit einem Tuch. Ich erinnere mich, dass mir der Verkäufer damals gesagt hat, bloß niemals auf den Spiegel und die Mattscheibe in der Kamera zu fassen. Gut, dann lasse ich das besser. Ich schaue probehalber durch den Sucher, sehe lauter Flecken, und alles ist verschwommen. Da gibt es am Objektiv doch einen Drehring. Ich benutze diesen und langsam wird das Bild scharf, bevor es sich wieder ins Gegenteil verkehrt. Also ein bisschen zurück. Trotz der Flecken sehe ich jetzt alles klar vor mir.
Die Kamera lege ich erst mal beiseite, greife nach meiner Tasche und mache mich auf den Weg in ein Fotogeschäft. Ich brauche ein paar Filme zum Üben. Da ich keine Ahnung habe, hoffe ich, dort ein paar Antworten zu bekommen.
Die Türklingel bimmelt, als ich die Ladentür aufstoße. Ein Lächeln erscheint auf meinem Gesicht, weil das so wunderbar oldschool ist. Ich sehe mich in dem Laden um, sehe die Holzregale mit verschiedenen Kameragehäusen und Objektiven. Fotos, die schon ein klein wenig vergilbt sind, zieren die Wände. Es ist ein wenig düster, so als wäre alles mit einer Staubschicht überzogen, die man erst mal wegpusten muss, um die Schätze zu finden, die unter ihr verborgen sind.
»Kann ich etwas für Sie tun?«, kommt die Stimme einer Frau aus der Tiefe des Ladens.
»Ja! Bitte!«, rufe ich und mache mich auf die Suche nach ihr.
»Ich bin hier hinten, Schätzchen.«
Der Kosename bringt mich zum Lächeln, und ich schiebe einen Vorhang zur Seite, bevor ich sie sehe. Sie beugt sich mit einer Lupe über einen Bogen Papier. Als ich mich räuspere, sieht sie auf.
»Was brauchen Sie, Schätzchen?« Sie lächelt, wobei sich auf ihrem Gesicht eine Vielzahl an Falten bildet. Sympathisch.
»Ja, also, ich habe überhaupt keine Ahnung von Fotografie, aber ich habe da so eine alte Spiegelreflexkamera, die schon seit ein paar Jahren verstaubt, und ich habe plötzlich das Bedürfnis, diese auszuprobieren. Aber weil ich keine Ahnung habe, wie gesagt, weiß ich nicht mal, was für einen Film ich brauche oder wo ich anfange.«
»Was ist es denn für eine Kamera?«
»Eine Minolta XG-2.«
»Da gehört ein 35mm-Film rein. Welche Empfindlichkeit möchten Sie?«
Ich zucke mit den Schultern, weiß nicht, was sie wissen will. Aber ich denke, ihr zu sagen, dass ich nicht sonderlich empfindlich bin, ist die falsche Antwort.
»Ich verstehe, wenn Sie sagen, Sie haben keine Ahnung, dann haben Sie auch keine.« Ihr Lächeln ist so nett, ich würde es am liebsten einpacken. »Also, die Empfindlichkeit von Filmen gibt an, wie viel Licht für die richtige Belichtung gebraucht wird. Eine kleine Zahl wie 100 oder 200 gibt an, dass die Empfindlichkeit gering ist, es braucht also viel Licht. Daher kann man diese Filme nur draußen bei Tageslicht verwenden. Eine große Zahl gibt eine hohe Empfindlichkeit an, man kann also die Objekte noch einfangen, wenn die Lichtsituation schwierig ist.«
»Also, wenn ich draußen bei Tag fotografiere, reicht 100 oder 200? Was bräuchte ich denn für die Wohnung?«
»Ja, dann reicht eine geringe Empfindlichkeit. Für die Wohnung kommt es auf die Lichtverhältnisse an. Wenn sie hell ist, könnte man es mit 400 versuchen, sonst würde ich aber eher 800 empfehlen.«
»Okay, dann nehme ich ein paar 200er und ein paar 800er.« Ob das jetzt eine gute Idee ist oder nicht, weiß ich nicht, aber ich muss ja irgendwie anfangen, mich ausprobieren und dann kann ich immer noch schauen, ob ich etwas daran ändere.
»Alles klar. Zwei oder drei?«
»Fünf von beiden.«
»Okay. Möchten Sie Menschen oder Objekte fotografieren?«
»Erst mal Objekte, denke ich. Ich kann vorerst keine Verantwortung für lebendige Dinge übernehmen.«
Ihr Lachen klingt durch den Raum, ein wenig wie das von einer guten Fee im Märchen. Es ist auch passend, denn schließlich ist sie meine gute Fee. »Gut, dann empfehle ich diese hier.« Sie reicht mir zwei Pakete, bevor sie zu einem Regal mit Büchern geht. »Und außerdem das hier.« Sie holt eines hervor. »Sie können alles im Internet finden, aber gerade für Anfänger würde ich dieses Buch hier empfehlen.«
»Dann nehme ich das auch.«
Sie tippt die Zahlen in ihre altmodische Kasse, und ich bezahle sie, bevor ich nach meinen Schätzen greife. »Falls Sie Fragen haben, kommen Sie einfach wieder vorbei. Ich helfe gerne.«
»Das werden Sie wahrscheinlich noch bereuen, aber vielen Dank!«
Sie lächelt. »Es war ernst gemeint.«
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Viel Spaß beim Lesen!