10 Tipps zum Diktieren
Vor drei Jahren hatte ich einen furchtbar schlimmen Tennisarm, was sich über Monate hinwegzog. Irgendwann half nur noch, den Arm mal eine ganze Weile nicht zu beanspruchen, aber ich musste ein Buch beenden, weswegen ich ausprobiert habe, zu diktieren. Ich habe es so sehr gehasst, das kann man sich nicht vorstellen. Mir war bewusst, Diktieren und ich werden keine Freunde.
In diesem Jahr habe ich so viel geschrieben, dass ich schon wieder gespürt habe, dass es auf Handgelenke und Ellenbogen ging. Daher habe ich beschlossen, dem Diktat noch einmal eine Chance zu geben, und zwar während des NaNoWriMos (wer es nicht kennt: Im November versuchen Autorinnen aus aller Welt einen vollständigen Roman, nämlich 50.000 Wörter zu schreiben), an dem ich wie jedes Jahr wieder teilnehmen wollte.
Warum denn nicht? Erst mal sich der Aufgabe stellen, in so kurzer Zeit so viel zu schreiben, und dann auch noch Diktieren? Hört sich total leicht an. War es auch. Und hier sind meine Tipps:
Tipp 1: Das richtige Diktierprogramm
Vor drei Jahren habe ich Dragon Naturally Speaking für den Mac ausprobiert, womit ich überhaupt nicht wirklich zurecht kam. Es hat mich genervt, dass ich ortsgebunden war (zumindest insoweit, dass ich ja bei meinem Laptop sein musste), Dragon soll für Mac nicht so gut funktionieren, wie für Windows (und jetzt wurde die Mac-Version auch noch eingestellt) und auch meine Herangehensweise war schlecht.
Daher habe ich mir dieses Mal vorher Gedanken gemacht, recherchiert und dann beschlossen, dass die App Dragon Anywhere für mich die beste Lösung ist. Es gibt sie für iPhone und Android, man kann sie einen Monat kostenlos testen (perfekt für den NaNo) und sie ist relativ selbsterklärend.
Tipp 2: App trainieren
Man kann die App trainieren, damit sie lernt, wie man selbst spricht, wie man bestimmte Wörter ausspricht und ihr auch vollkommen unbekannte Wörter beibringen. Das war für mich eine absolute Verbesserung (wobei Dragon das auch kann, aber ich es nicht wusste). Vor drei Jahren habe ich statt den richtigen englischen Namen zum Beispiel immer deutsche Namen diktiert, weil das Programm die englisch ausgesprochenen Namen nicht verstanden hat. Und ehrlich: Tinka und Evan sind soviel heißer als Petra und Hans.
Dieses Mal habe ich meine Namen vorher trainiert, sodass die App jetzt schön Aoife und Cian schreibt. Allerdings: wenn diese Namen eine ähnliche Aussprache zu einem anderen Wort haben, funktioniert es nicht so gut. So ist Bryce sehr häufig weiß (ich bin mir ziemlich sicher, dass ich die beiden Wörter nicht gleich ausspreche) und Leah ist immer Lea. Aber das kann man dann durch Suchen und Ersetzen am Ende lösen.
Und noch ein Tipp: Wenn es am Anfang mit der Worterkennung gar nicht klappt, lies mal langsam und deutlich einen Text vor, das hilft auch beim Training, hab ich gemerkt.
Tipp 3: Keine einzelnen Wörter
Die App erkennt Wörter besser, wenn man ganze Sätze oder sogar mehrere Sätze hintereinander diktiert, ohne nach jedem Wort eine Pause zu machen. Das erfordert ein bisschen Übung, weil man sich den Satz schon vorher zurecht gelegt haben muss, aber man gewöhnt sich schnell daran. Also, je mehr Zusammenhang man der App liefert, desto besser ist das Ergebnis.
Tipp 4: Satzzeichen
Ein großes Problem, das ich vor drei Jahren hatte, war, dass ich mich nicht so richtig in die Geschichte einfinden konnte, weil ich alles zu steril fand. Ich konnte mich nicht daran gewöhnen, sagen zu müssen: Anführungszeichen unten wie geht es dir Fragezeichen Anführungszeichen oben Komma fragt er Punkt.
Ich konnte die Emotionen nicht fühlen, war nicht richtig in der Geschichte drin, weil ich mir Gedanken über solche Banalitäten wie Satzzeichen machen musste. Daher habe ich beschlossen, die meisten Satzzeichen wegzulassen und sie später beim Bearbeiten einzufügen.
Welche Satzzeichen sage ich: Komma (wenn ich dran denke), Punkt, Fragezeichen, neue Zeile, neuer Absatz (okay, die letzten beiden sind technisch gesehen keine Satzzeichen, aber diese Befehle benutze ich, um den Text zu strukturieren.
Ja, man muss am Ende dann mehr bearbeiten, aber mir hat diese Methode geholfen, die Distanz zu meinem Text zu überbrücken.
Tipp 5: Nicht auf die App schauen
Das Problem mit dem Laptop war auch, dass ich die ganze Zeit auf den Bildschirm gestarrt habe (starren musste), und dann jeden Fehler, den das Programm gemacht hat, sofort gesehen hab. Und das hat mich so sehr gestört! Ich wollte dann immer sofort alles verbessern, aber das ist kontraproduktiv.
Ja, das Programm wird Fehler machen, aber es ist auch nicht da, um einen perfekten Text zu liefern, sondern einen ersten Entwurf aufs Papier zu bringen (oder auf den Bildschirm).
Jetzt drehe ich das Handy einfach um und tu so, als wäre es ein Diktaphon, nur dass es nachher nicht transkribiert werden muss, sondern der Text sofort erscheint. So viel einfacher.
Tipp 6: Mikrofon verwenden
Anfangs hab ich direkt ins Handy gesprochen, was auch gut funktioniert hat, aber da musste ich immer das Telefon in der Hand halten. Dann hab ich mich erinnert, dass ich noch so ein kleines Ansteckmikrofon hab (ich hab dieses hier, aber ich geh davon aus, dass jedes andere es auch tut).
Und damit hab ich mich befreit. Ich kann das Handy einfach neben mich legen, mit den Händen in der Luft herumfuchteln und diktieren. Ich kann mich auf die Couch legen oder ins Bett oder sogar spazieren gehen (beim Spazierengehen hab ich bisher immer die normalen Kopfhörer mit Mikro von Apple verwendet). Außerdem hab ich das Gefühl, dass die App dann noch besser funktioniert.
Tipp 7: Möglichst deutlich sprechen
Dieser Punkt fällt mir sehr schwer, weil ich manchmal so sehr in meinen Geschichten und vor allem in meinen Dialogen stecke, dass ich lauter werde, wenn meine Protagonisten sauer sind, flüstere, wenn sie es tun, und im Allgemeinen mehr schauspielere, als ich es beim Tippen tue.
Darunter leidet die Qualität der Erkennung. Vielleicht legt sich das noch, wenn die App gelernt hat, dass ich eigentlich Meryl Streep bin, aber man sollte sich bemühen, so deutlich wie möglich zu sprechen. Das hilft beim Überarbeiten.
Tipp 8: Überarbeiten
Ich hasse es sowieso meine Texte zu überarbeiten, und die Tatsache, dass ich jetzt noch mehr überarbeiten muss, macht es mir besonders schwer. Aber es ist leichter, Abschnittsweise zu diktieren, das dann sofort zu überarbeiten (dann weiß man noch, was man sagen wollte, auch wenn Dragon nur Kauderwelsch verstanden hat), anstatt die ganze Geschichte zu diktieren und dann am Ende unglaublich viel überarbeiten zu müssen.
In diesen kleineren Abschnitten findet man dann auch meist mehr Fehler (zumindest hab ich das Gefühl). Ich mach es so, dass ich den ganzen Tag diktiere, so viel, wie ich eben mag, und dann am nächsten Morgen überarbeite, so bin ich dann auch direkt wieder in der Geschichte drin.
Tipp 9: Synchronisation
Mit der Dragon App kann man mit Evernote und Dropbox synchronisieren. Ich nutze die Dropbox, kopiere dann den Text aus dem Word-Dokument in Scrivener und überarbeite dann dort.
Tipp 10: Hab Spaß
Ich hätte es nicht für möglich gehalten, aber es macht mir mittlerweile richtig Spaß, meine Geschichten zu diktieren. Keine Ahnung, ob meine Leserinnen es auch so sehen, aber ich hab das Gefühl, dass vor allem meine Dialoge und Gedanken lebendiger sind, weil ich sie aussprechen muss. Dann hört man, ob ein Dialog vielleicht etwas hölzern ist oder man so im wahren Leben gar nicht sprechen würde.
Ein weiterer Punkt, der mir sehr gut gefällt, ist, dass man es einfach überall machen kann. Man ist nicht an einen Ort gebunden, nicht an den Schreibtisch oder die Couch, oder wo man auch immer schreibt, sondern man kann spazieren gehen, kann dabei die Küche putzen oder was auch immer machen. Das gibt einem richtig viel Freiheit, die man dann zum Lesen verwenden kann. Win-win.
Ergebnis
Als letztes noch etwas zu meinen NaNo-Ergebnissen:
Mein allererster Versuch mit der Dragon App war noch Ende Oktober. Ich hab eine Stunde diktiert und hatte knapp 2000 Wörter. Für die Überarbeitung hab ich dann noch mal 15 Minuten gebraucht, sodass das Ergebnis also 2000 Wörter in 75 Minuten war. Das schaffe ich beim Tippen nicht. Es gibt natürlich Schnellschreiber, die das können, aber ich gehöre nicht dazu.
Als ich dann im NaNo diktiert hab, hatte ich konstant über 2000 Wörter in einer Stunde und das jeden Tag. Ich kann auch an einem Tag mal unglaublich viel schreiben, aber die nächsten Tage schreib ich dann nichts. Dieses Mal habe ich 28 von 30 Tagen im November geschrieben und meist zwischen 3000 und 5000 Wörter pro Tag.
Insgesamt hab ich im NaNo 115.000 Wörter diktiert, was mein absoluter Rekord ist. So viel hab ich noch nie geschrieben (dazu kamen noch ein paar sexy Szenen, die ich getippt hab).
Und weil es mir Spaß gemacht hat, hab ich auch im Dezember weiterdiktiert, und hab jetzt insgesamt seit 1.11. knapp 170.000 Wörter diktiert. Und dabei habe ich nicht den ganzen Tag gearbeitet, sondern war meist nach drei Stunden mit meinem Tagwerk fertig und hatte Zeit für andere Dinge.
Mein Fazit: Ich werde auf jeden Fall weiter diktieren, vielleicht nicht alles, aber für mich ist es eine sehr gute Methode, um relativ zügig einen ersten Entwurf aufs Blatt zu bekommen, ohne meinen Ellenbogen zu viel zu quälen.
Wenn ihr Fragen habt, beantworte ich sie sehr gerne! Viel Spaß beim Ausprobieren. 🙂